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Die Auferstehungsbotschaft nach 1Kor 15,1-11

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1. Wie kam es zum Osterglauben?

Inhaltsverzeichnis

1.1 Die Situation nach dem Karfreitag

Bestätigung der Gegner

Der Tod bedeutete zunächst einmal die Erledigung des Anspruches Jesu. War es nun nicht offensichtlich, dass der von Jesus erhobene Sendungs- und Vollmachtsanspruch von Gott nicht gedeckt wurde? Jesus hatte in anstößiger Weise die Kenntnis des göttlichen Heilswillens für sich reklamiert, deshalb musste der Tod Jesu am Kreuz als Antwort Gottes auf diesen Anspruch verstanden werden (anders im Fall Johannes des Täufers: er stirbt als Märtyrer für das Gesetz).

 

Das Ende der Jüngerschaft

Stellte der Kreuzestod Jesu für die Gegner Jesu die Bestätigung ihres Gottesverständnisses dar, so für die Jünger die äußerste Krise ihres Glaubens. An ihr scheiterte ihr Glaube zunächst auch: Die Jünger flohen bei der Verhaftung Jesu (Mk 14,50), allein einige teilweise namentlich genannte Frauen waren bei der Kreuzigung anwesend (Mk 15,40f). Beide Notizen haben alle historische Wahrscheinlichkeit für sich.

Am Karfreitag war nicht nur der Weg der Jünger mit Jesus beendet; es war auch nicht mehr möglich, die Verkündigung Jesu einfach fortzusetzen. Kein Wort Jesu konnte jetzt noch die Berechtigung seines Anspruches verbürgen, eine direkte Berufung auf Gott war deshalb nicht möglich, weil doch gerade Gott als der erschien, der Jesus dem Tod am Kreuz ausgeliefert hatte (Lorenz Oberlinner).

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1.2 Die Überwindung der Glaubenskrise aufgrund von Erscheinungen

Dass jenes Ende der Jüngerschaft nur vorläufig war, zeigt sich erst einige Zeit nach dem Karfreitag. Die Jünger treten wieder in Jerusalem auf und verkünden: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt. Die Frage nach Gott, die der Tod Jesu gestellt hatte, wird im Osterglauben beantwortet:

Gott hat Jesus nicht verflucht, sondern von den Toten auferweckt und in himmlische Machtstellung eingesetzt; vom Himmel her wird Jesus als der Mittler des vollendeten Heils erscheinen.

Dieser Osterglauben gibt Antwort

  • auf die Stellung Gottes zu Jesus und
  • auf die Funktion Jesu in Gottes Heilsplan für die Menschen.

Nur von ihm her ist ein erneutes Auftreten der Jünger Jesu nach dem Karfreitag möglich.

Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments kamen die Jünger zum Osterglauben aufgrund von Erscheinungen. Weil Jesus nach seinem Tod am Kreuz seinen Jüngern erschienen ist, kommen diese zum Glauben an seine Auferweckung (zur Erscheinungsterminologie s.u.).

Das Geschehen, das die Jünger mit »Erscheinung« bezeichnet haben, führte zur erneuten Sammlung der Jünger und zur Verkündigung ihres neu gewonnenen Glaubens (s. den Verkündigungsauftrag in den Erscheinungsgeschichten Mt 28,16-20; Lk 24,36-53; Joh 20,19-23; s.a. Gal 1,15f).

Der Osterglaube ist aber nicht nur Ausgangspunkt, sondern auch zentraler Inhalt der urchristlichen Verkündigung. Die Jünger setzen nicht einfach die Verkündigung Jesu fort – auch wenn sie natürlich nicht vergessen, sondern in der Jesustradition weitergegeben wird. Im Mittelpunkt aber steht jetzt die Person Jesu, ihre Bedeutung für die Menschen (prägnant etwa Apg 4,11f; s.a. unten).

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1.3 Zur Frage der Ersterscheinung

Im Neuen Testament begegnen zwei verschiedene Traditionen.

  • In Mt 28,9f wird eine Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena und einer anderen Maria erzählt (nach Mt 27,56 die Mutter des Jakobus und des Josef). Folgt man Joh 20,11-18, ist der Auferstandene zuerst Maria Magdalena allein erschienen.
  • Nach 1Kor 15,5 und Lk 24,34 ist Simon Petrus der erste Erscheinungsempfänger.

Frage: Wurde die grundlegende Rolle der Frauen am Ursprung des österlichen Bekennt­nisses im Lauf der Zeit unterdrückt?

Die besseren Argumente sprechen dafür, die angeschnittene Frage zu verneinen und historisch von der Ersterscheinung vor Petrus auszugehen (anders urteilen G. Theissen/A. Merz, Der historische Jesus 434f).

  • Die Formeltradition ist älter als die erzählerische Ausgestaltung in Geschichten, in denen die Frauen auftreten. Und auch innerhalb der Erzähltradition ist die Erscheinung des Auferstandenen vor Frauen erst spät belegt (Mt und Joh). In der ältesten Fassung der Grabesgeschichte (Mk 16,1-8) ist eine Ersterscheinung vor Petrus angedeutet; jedenfalls ist Petrus als einziger der Jünger namentlich genannt (V. 7).
  • Dass diese späten Texte die ursprüngliche Gestalt der Erscheinungstradition bezeugen sollten, ist nicht zu begründen. Wie hätten die späteren Evangelien jene alten Überlieferungen wieder aufgreifen können, wenn sie bis dahin mit Erfolg ausgeschaltet worden wären? Wahrscheinlicher ist: Es handelt sich nicht um alte Traditionen.
  • Es ist kein Grund ersichtlich, warum Paulus eine ihm bekannte Tradition von der Ersterscheinung vor Frauen zugunsten der vor Petrus unterdrückt haben sollte. Er kennt die Diakonin Phoebe (Röm 16,1), die Apostolin Junia (Röm 16,7) oder Priska als Mitarbeiterin (zusammen mit ihrem Mann Aquila genannt, Röm 16,2; 1Kor 16,19) – Frauen in herausgehobener Funktion. Warum sollte er dann Oster-Tradi­tionen unterdrücken, in denen Frauen eine wichtige Rolle spielen? Sicher nicht aus großer Anhänglichkeit an Petrus.
  • Dass schon vor Paulus die Frauen aus der Ostertradition getilgt worden seien, weil sie nicht voll zeugnisfähig gewesen seien, ist eine Verlegenheitsauskunft. Sie hat außerdem gegen sich, dass in späten Texten dann doch Frauen in Erscheinungsgeschichten auftreten. Das Urteil, Maria wäre als Empfängerin der Ersterscheinung »dem Petrus an Autorität gleichgestellt gewesen« (G. Theissen/A. Merz), müsste eingehender belegt werden.
  • Es ist schwierig, die Ostergeschichten der Evangelien auf einen konkreten historischen Kern zurückzuführen. Das gilt nicht nur für die Erzählungen von Erscheinungen, die extrem unterschiedlich sind und vor allem die Theologie der Evangelisten spiegeln. Auch die Geschichte von der Osterbotschaft im leeren Grab geht wohl nicht zurück auf ein entsprechendes historisches Geschehen (s.a. hier).

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1.4 Zur Frage nach dem leeren Grab

Heftig umstritten ist die Frage, ob die Überlieferung vom leeren Grab einen historischen Haftpunkt hat.

► Pro: Für eine bejahende Antwort werden vor allem folgende Argumente vorgebracht:

  1. Die Osterbotschaft hätte sich in Jerusalem nicht halten können, wenn man auf den Leichnam Jesu im Grab hätte verweisen können.
  2. Nach jüdischer Anthropologie setzt auch die Formeltradition ein leeres Grab voraus.
  3. Es muss eine alte Lokaltradition vom Grab Jesu gegeben haben, weil man sonst unter Konstantin nicht mitten in der Stadt gesucht hätte. Die Angaben in Joh 19,41 könnten darauf zurückgehen, Mk 16,6 setze eine fest überlieferte Lokaltradition voraus. 
  4. Die Grabesgeschichte hat einen historischen Kern, weil ihre älteste Gestalt (Mk 16,1-8) nicht naheliegenden apologetischen und theologischen Interessen folgt:
    • Da Frauen als Zeugen fungieren, wird kein gültiger Beweis für das Leersein des Grabes geliefert.
    • Das leere Grab führt nicht zum Glauben.
    • Es ist eine zeitliche Distanz zwischen der Auffindung des Grabes und den Erscheinungen vorausgesetzt, die »erst in der weiteren Ausgestaltung dieser Überlieferung mühsam überbrückt werden konnte« (J. Roloff).


► Contra: Die Argumente können die Zweifel am Alter der Grabüberlieferung nicht zerstreuen.

  1. Die älteste Überlieferung kennt das leere Grab nicht. Nur im Zusammenhang mit erzählerischer Entfaltung erscheint das leere Grab. Die Formeltradition bietet eine Fehlanzeige, Paulus spricht ebenfalls nicht vom leeren Grab. Wenn nach jüdischer Anthropologie von einem leeren Grab hätte ausgegangen werden müssen, ergibt sich gerade kein Argument für die Annahme, dass das Grab Jesu leer aufgefunden wurde. Denn eine entsprechende Erzähl-Überlieferung würde sich gerade aus den gedanklichen Voraussetzungen erklären, die in Szene gesetzt werden könnten, ohne dass dafür ein historischer Haftpunkt gegeben gewesen wäre.
  2. Es gibt keinen ernsthaften Anhaltspunkt dafür, dass das leere Grab in der ersten Verkündigung in Jerusalem irgendeine Rolle gespielt hätte (auch nicht in Apg 2,24-31; Mt 28,11-15). Das Argument, der im Grab befindliche Leichnam Jesu hätte die urchristliche Mission unmöglich gemacht, geht von der falschen Voraussetzung aus, dass irgendeine Seite daran interessiert gewesen sein könnte, das Grab Jesu zu öffnen. Selbst wenn alle Beteiligten gewusst hätten, wo Jesus begraben worden war (keineswegs selbstverständlich!), hatte doch niemand Veranlassung, die urchristliche Verkündigung am Zustand des Grabes zu überprüfen:
    • Aus urchristlicher Sicht müsste ein solches Vorgehen die Erscheinungen und die Botschaft von der Auferweckung entwerten.
    • Aus Sicht von Zweiflern würde ein Gang zum Grab voraussetzen, dass ihre Vorbehalte gegen die urchristliche Botschaft durch ein leeres Grab zerstreut würden – kaum denkbar aufgrund der Mehrdeutigkeit des Faktums. Die urchristliche Verkündigung hat denn auch das leere Grab nicht als Argument für die Auferstehung eingesetzt.
    • Aus der Sicht möglicher Gegner (etwa aus den Reihen des Hohen Rats) wäre die Öffnung des Grabes wertlos, weil sie fürchten müssten, dass die Stätte schon entsprechend »präpariert« wäre und man mithin gerade kein Gegenargument gewinnen könnte.
  3. Die Argumentation mit Mk 16,1-8 blendet zum einen die massiven historischen Schwierigkeiten aus, die diese Geschichte bereitet (s. hier). Zum andern sind aber auch die daraus gewonnenen positiven Argumente nicht überzeugend.
    • Dass Frauen als Handlungsträger eingesetzt werden, erklärt sich aus dem Gang der Passionsgeschichte: Sie sind nach Mk 15,40f.47 die einzigen verbliebenen Anhänger Jesu.
    • Dass das leere Grab nicht zum Glauben führt, ist kein Beleg für Historizität, ebenso wenig die Distanz zwischen Findung des Grabes und den Erscheinungen. Sie kann gerade in umgekehrter Richtung ausgewertet werden: Wenn nach den ältesten Zeugnissen den Erscheinungen die entscheidende Rolle bei der Entstehung des Osterglaubens zukommt, war die Geschichte von der Auffindung des leeren Grabes nicht ohne weiteres in diese (bereits bestehende) Tradition zu integrieren.

    • Die Besonderheiten von Mk 16,1-8 lassen sich gut in die Theologie des MkEv einordnen (s. hier).

  4. Setzt die jüdische Tradition der Auferstehungshoffnung wirklich die Vorstellung voraus, dass die Toten aus den Gräbern kommen? Oder ist sie auch verständlich als »Bild für die Überwindung des Todes und für das gottgewirkte unvergängliche Leben« (H. Kessler)?

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2. Zur theologischen Bedeutung der Ostertraditionen

Ostern als Ausgangspunkt und Mitte des Christusbekenntnisses

Ostern ist das Urdatum des christlichen Bekenntnisses. Dies ergibt sich nicht nur aus der obigen Analyse der Situation nach dem Karfreitag, nach der für ein erneutes Auftreten der Jünger der Impuls durch die Ostererfahrung entscheidend war. Auch der Inhalt der frühesten Verkündigung zeigt eine Konzentration auf Tod und Auferstehung Jesu:

  • Die Glaubensformeln richten sich auf dieses Geschehen (s.u. hier und hier). In solchen Kurzformeln wird sicher das Wesentliche zusammengefasst.
  • Paulus bündelt die Verkündigung von Tod und Auferweckung Jesu unter dem Stichwort »Evangelium«. Es rettet diejenigen, die an ihm festhalten. Die Einleitung in 1Kor 15,1-3a bezeugt unmittelbar die zentrale Stellung von Ostern für die Botschaft des Paulus.
  • Beispielhaft wird der Perspektivenwechsel, der mit Ostern gegeben ist, in Apg 10,38-42 deutlich. Petrus blickt in der Predigt im Haus des Kornelius zurück auf das Wirken Jesu im »Land der Juden und in Jerusalem« (V. 39), auf seinen Tod und seine Auferstehung sowie die Erscheinungen. Der Verkündigungsauftrag an die Osterzeugen bezieht sich aber nicht auf das Erzählen der Taten und Worte Jesu, sondern auf die Bedeutung Jesu als »Richter der Lebenden und der Toten« (V. 42).

Jesus wird nach Ostern (zeitlich) also von Ostern her (sachlich) verstanden, er wird durch die »Osterbrille« wahrgenommen. So erzählt denn auch Markus vom Wirken Jesu unter der Überschrift »Evangelium«, demnach als einem Wirken, das auf Tod und Auferstehung zuläuft. Urchristlicher Glaube kann beim Rückblick auf den Jesus der Geschichte nicht absehen vom Bekenntnis zu ihm als Messias, Sohn Gottes, Herr. Anders gesagt:

► Nach Ostern kann von Jesus nur noch christologisch gesprochen werden.

 

Wahrung des eschatologischen Charakters

Die obige Darstellung hat ergeben, dass die Auferstehung Jesu als endzeitliches Ereignis verkündet wurde. Sie ist Hereinbrechen des neuen Äons in den alten, die endzeitliche Totenauferstehung hat eingesetzt in der Auferweckung Jesu. Dieser Charakter von Ostern spiegelt sich in der Zurückhaltung, die auch in der Erzähltradition durchgehalten wird:

► Von der Auferstehung Jesu selbst wird in den neutestamentlichen Schriften nicht erzählt.

Erst das apokryphe Petrusevangelium schildert den Vorgang der Auferstehung: Jesus kommt, gestützt von zwei Männern und gefolgt vom Kreuz, aus dem Grab. Hier liegt nicht alte Tradition vor (so H. Köster), sondern Weiterentwicklung.

  • Der Unterschied wird deutlich, wenn man das Motiv der Graböffnung im MtEv betrachtet. Erdbeben, Engelerscheinung und Graböffnung sind hier nicht ausgerichtet auf das Herauskommen Jesu aus dem Grab, sondern auf Erscheinen und Botschaft des Engels. Deren Bedeutung wird durch die Theophaniemotive betont. Jesus selbst tritt (wie auch in den anderen Grabgeschichten) nicht auf.

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3. Verschiedene Bezeugungen des Osterglaubens

Die neutestamentlichen Zeugnisse des Osterglaubens begegnen in zwei verschiedenen Formen. Zum einen, die bekanntere Variante, in ausgeführten Geschichten, die von der Entdeckung des leeren Grabes oder der Erscheinung des Auferstandenen erzählen; zum andern kurzgefasste Formeln, in denen das Wesentliche des Osterglaubens gebündelt ist. Man kann diese beiden Ausdrucksweisen des Osterglaubens noch einmal unterteilen: Einerseits steht die inhaltliche Seite im Vordergrund (»Osterbekenntnis«), andererseits die Erfahrung, die zum Osterglauben führt (»Ostererkenntnis«).

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3.1 Formeltradition – Formulierung des Osterbekenntnisses

Glaubensformeln von der Auferweckung

Die frühesten Zeugnisse des Osterglaubens sind die Glaubensformeln von der Auferweckung Jesu. Röm 10,9b zeigt deutlich die Auferweckung Jesu als Inhalt des Glaubens:

»wenn du glaubst: Gott hat ihn von den Toten erweckt, so wirst du gerettet werden«

Diese Aussage kann in verschiedenen Ausprägungen begegnen:

  • passivische Formulierung: »Er ist auferweckt worden«. Beispiele dafür sind Röm 4,25; 6,4.9; 1Kor 15,12f. Diese Formulierung ist als sog. »theologisches Passiv« zu verstehen: es umschreibt das Handeln Gottes.
  • aktivische Formulierung: »Gott hat ihn von den Toten erweckt«. Hier ist Gott als Subjekt direkt genannt (Röm 10,9; 1Kor 6,14; Eph 1,20; 1Thess 1,10b; Apg 2,24.32; 3,15.26; 4,10 u.ö.).

Dabei kann die Aussage auch als Gottesprädikation erscheinen, d.h.: Gott wird nun dadurch bestimmt, dass er Jesus von den Toten auferweckt; er ist derjenige, der Jesus auferweckt hat (Gal 1,1). Dabei kann sogar, wie Röm 4,24 zeigt, die ausdrückliche Nennung Gottes fehlen:

»die wir an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, von den Toten erweckt hat«

vgl. auch Röm 8,11; 2Kor 4,14

In dieser Gottesprädikation zeigt sich deutlich der grundlegende Stellenwert des Bekenntnisses zur Auferweckung Jesu in der urchristlichen Verkündigung.

 

Sterbeformeln

Wir finden Glaubensformeln auch als Sterbeformeln, in denen der Tod Jesu erscheint als ein Tod »für uns« bzw. »für unsere Sünden«, also als stellvertretender sühnender Tod. Der Tod Jesu wird demnach nicht einfach festgestellt, sondern gedeutet als ein Geschehen, das uns zugute kommt. Die Grundformel ist in Röm 5,8 zu sehen:

»Christus ist für unsere Sünden gestorben«

Sie kann verschiedentlich abgewandelt werden (Röm 5,6; 14,15; 1Kor 8,11). Die wichtigste Weiterentwicklung dieser Grundform ist die Hingabe-Formel, in der das willentliche Element betont ist (Hingabe durch Gott [Röm 8,32] oder Selbsthingabe des Sohnes [z.B. Gal 1,4]).

 

Formeln von Tod und Auferweckung

Formeln von Tod und Auferweckung können als äußerst knapp formulierte Wendungen begegnen, in denen Tod und Auferweckung Jesu einfach nebeneinandergestellt sind (Röm 8,34; 14,9; 2Kor 5,15; 1Thess 4,14). Die Aussagen können aber auch stärker ausgeformt sein, wie Röm 4,25; 6,3-9; 2Kor 13,4 und vor allem 1Kor 15,3b-5 zeigen (s. dazu unten).

 

Alternative Formulierungen

Neben der Auferweckungsaussage, die eindeutig dominiert, kann sich der Osterglaube auch in anderen Formulierungen ausdrücken.

  • Der Philipperhymnus (Phil 2,6-11) spricht von der Erhöhung Jesu, nicht von der Auferweckung. Mit der Erhöhung wird die Einsetzung in eine Würdestellung vor Gott verbunden (Hintergrund: messianisch gedeutete Texte aus dem Alten Testament [2Sam 7,14; Ps 2,7; 110,1]).

    An sie konnte sich die Vorstellung von der Einsetzung in die messianische Gottessohnschaft anschließen, vom Sitzen zur Rechten Gottes, von der Inthronisation zum »Herrn« (kyrios) mit gottgleicher Aktionsmacht. Diese Vorstellung ist sicher auch mit der Aussage von der Auferweckung verbunden. Die Vorstellung von der Erhöhung Jesu hat sachlich von Anfang an zur Auferweckungsaussage gehört.
  • Der Hymnus 1Tim 3,16 spricht von der Rechtfertigung Jesu durch den Geist bzw. von seiner Aufnahme in Herrlichkeit, was sachlich der Erhöhungsvorstellung entsprechen dürfte. 

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3.2 Formeltradition – Formulierung der Ostererkenntnis

In den Paulusbriefen begegnet der Sonderfall von knappen, »formelhaften« Aussagen, die eine Erfahrung wiedergeben. Paulus kommt an drei Stellen auf seine Lebenswende zu sprechen:

 

1Kor 15,8

In einem Fall verwendet er typische »Ostersprache«: »… als letztem erschien er mir …« (1Kor 15,8). Paulus reiht sich unter die Osterzeugen ein. Von diesem Text aus lassen sich auch die anderen beide Belege mit der Ostertradition in Verbindung bringen, auch wenn sie sich anderer Begriffe bedienen. In der Nähe zu 1Kor 15,8 steht die Aussage in 1Kor 9,1: »Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?« Der Zusammenhang mit dem Apostolat ist hier ausdrücklich gemacht; in 1Kor 15 kann man ihn aus der Abfolge erschließen (Apostel-Titel im Anschluss ausgeführt).

 

Gal 1,15f

In Gal 1,15f spricht Paulus von der Offenbarung des Sohnes Gottes, Ziel des Geschehens ist die Verkündigung unter den Heiden. Somit ergibt sich eine sachliche Überein­stimmung mit den beiden Stellen aus dem 1Kor, die den Apostolat in Zusammenhang mit der Erscheinung (bzw. dem Sehen) gebracht haben. Von »Auferweckung« ist nicht die Rede, doch hat Paulus schon im Präskript des Briefes betont, dass Gott Jesus Christus von den Toten erweckt hat. Dass die Adressaten in die Aussage von der Offenbarung des Sohnes Gottes die Auferweckung einschließen konnten, ist also wahrscheinlich.

 

Phil 3,5-9

In Phil 3,5-9 kommt Paulus auf seine Lebenswende unter dem Aspekt der Umwertung zu sprechen. Was bislang im Zentrum seines Lebens stand, ist ihm jetzt, aufgrund der Erkenntnis Christi, nur noch »Dreck«. Paulus geht es im Zusammenhang weniger um das, was ihm persönlich widerfuhr. Er stellt vielmehr seine Wende als Modell des Christwerdens überhaupt vor. Deshalb hat er hier auf eine Terminologie verzichtet, die eine solche Übertragung erschwert hätte – dies wäre bei der Rede von Erscheinungen der Fall gewesen.

 

Verbindung mit dem Osterbekenntnis

Ohne einen solchen persönlich-biographischen Bezug wird die Ostererkenntnis in der Formeltradition auch mit der zuvor besprochenen Linie verbunden, die den Inhalt des Osterglaubens formuliert. So findet sich die Erscheinungsnotiz auch in 1Kor 15,3b-5 (»erschien dem Kephas, dann den Zwölf«) und in Lk 24,34 (»der Herr ist wahrhaft auferstanden und dem Simon erschienen«). Dies ist aufs Ganze gesehen aber die Ausnahme.

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3.3 Erzähltradition

Erzählerische Gestaltung des Osterbekenntnisses

Hier könnten die Grabesgeschichten eingeordnet werden, denn in ihrem Zentrum steht die Notiz von der Auferweckung Jesu von den Toten (s. hier). Nicht das Bekenntnis selbst wird also ausgestaltet, sondern es wird ein erzählerischer Rahmen um das Bekennt­nis gelegt. Dieser Rahmen knüpft an die Passionsgeschichte an, an die Schilderung der Grablegung, und gewinnt so die Szenerie für die Verkündigung der Osterbotschaft durch himmlische Boten.

 

Erzählerische Gestaltung der Ostererkenntnis

Die Erscheinungsgeschichten sind wohl relativ späte erzählerische Entfaltungen der älteren Erscheinungsnotizen. Der Prozess der Erkenntnis wird besonders in den Geschichten betont, »in denen Jesus in unbekannter Gestalt erscheint und sein Erkanntwerden die Pointe der Erzählung ist« (G. Theissen/A. Merz, mit Verweis auf Lk 24,13-35; Joh 20,11-18; 21,1-14).

Ein zweiter Typ von Erscheinungserzählungen zielt auf die Beauftragung der Erscheinungsempfänger, liegt also inhaltlich auf der Linie, die oben zu den Notizen des Paulus in 1Kor 9,1; 15,8 und Gal 1,15f festgehalten wurde. Hier wird deutlich: Ostern bedeutete nicht nur eine Erkenntnis, nicht nur eine Überzeugung, die gegen den Schein des Karfreitags gewonnen wurde; die Ostererfahrung führte vielmehr zur erneuten Sammlung des Jüngerkreises und zur Verkündigung. Die Dynamik der urchristlichen Bewegung wird auf ihren österlichen Ursprung zurückgeführt (Mt 28,16-20; Lk 24,36-49; Joh 20,19-23).

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4. Die Glaubensformel 1Kor 15,3-5 und ihre Einbettung

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4.1 Der Kontext in 1Kor 15

Das Thema von 1Kor 15 ist die Auferstehung von den Toten, doch wird das nicht gleich zu Beginn deutlich. Paulus setzt ein mit dem Hinweis auf das Evangelium, das er der Gemeinde verkündet hat. Dass es um Wesentliches geht, ist nicht nur aus dem Begriff »Evangelium« zu erschließen. Paulus macht auch ausdrücklich darauf aufmerksam, indem er auf die Rettung verweist, die durch das Evangelium eröffnet ist (15,2).

 

Gegen die Leugnung der Totenauferstehung

Der Hintergrund der Ausführungen wird erst nach dem Bezug auf das ursprüngliche Osterzeugnis erkennbar. In der Gemeinde wird von einigen vertreten, es gebe keine Auferstehung der Toten (15,12). Diese Leugnung dürfte in Zusammenhang stehen mit einem »Enthusiasmus« bei Teilen der Gemeinde. Betont wird die Heilsgegenwart, die jetzt in Christus erlangte Freiheit (s.a. die Themen Götzenopferfleisch, Sexualität, Zungenrede im 1Kor).

Der Bezug auf die Auferweckung Jesu soll also diese Position entkräften. Noch ehe er sie nennt, will Paulus der Bestreitung der Totenauferstehung dadurch den Boden entziehen, dass er auf Basis und Zentrum seiner Verkündigung verweist: Tod und Auferweckung Christi. »Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt« (15,13). Verkündigung und Glaube wären dann hinfällig (15,14). Das kann natürlich nicht sein: Christus ist von den Toten erweckt, als Erstling der Entschlafenen (15,20).

 

Aufbau des Abschnitts

Der Abschnitt, in den die alte Glaubensformel eingebettet ist, reicht von 15,1 bis zu 15,11. Er lässt sich folgendermaßen gliedern:

  • V. 1-3a: Einleitung: Bezug auf das überlieferte Evangelium
  • V. 3b-5: Zitat der Glaubensformel
  • V. 6-7: Weitere Erscheinungszeugen (500 Brüder, Jakobus, alle Apostel)
  • V. 8-11: Paulus als Erscheinungszeuge

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4.2 Rekonstruktion der Glaubensformel

Dass Paulus eine ihm vorgegebene Tradition zitiert, ergibt sich aus mehreren Beobachtungen, die einen sicheren Schluss erlauben.

 

Gründe für die Aufnahme vorgegebener Tradition

Paulus leitet mit typischer Traditionsterminologie ein: »Ich habe euch überliefert, was auch ich empfangen habe«. Er macht also kenntlich, dass das Folgende nicht von ihm selbst stammt. Damit lässt sich zumindest der Beginn der vorgegebenen Überlieferung einwandfrei erheben.

1Kor 15,3b-5 bezeugt eine geprägte Form durch die ausgearbeitete parallele Struktur: Jeweils drei Zeilen entsprechen sich. Wir haben es also nicht mit einem ad hoc gebildeten Satz zu tun, sondern einem durchdachten Arrangement, das in dieser prägnanten Form weitergegeben werden kann. Da diese Parallelität mit dem Verweis auf die Erscheinung vor den Zwölf endet, dürfte hier auch die vorgegebene Formel schließen.

  • Für dieses Ende spricht auch die grammatische Struktur. Denn mit der Notiz von der Erscheinung vor den Zwölf endet die Abhängigkeit der Sätze von dem übergeordneten Satz (»was ich empfangen habe«). Dass Paulus den Inhalt der folgenden Angaben mit den weiteren Erscheinungen ebenfalls aus der Tradition übernommen hat, muss deshalb nicht bestritten werden. Doch lagen hier wohl keine geprägten Formulierungen mehr vor.

Es finden sich unpaulinische Wendungen:

  • Christus ist für unsere Sünden gestorben: Paulus betont auch sonst das »Für« des Todes Jesu, formuliert aber nicht »für unsere Sünden« (Röm 5,8 ist ebenfalls formelhaft). Wenn er von Sünde spricht, dann gewöhnlich im Singular, weil er besonders an die Macht der Sünde denkt, nicht an einzelne Tatsünden.
  • Gemäß den Schriften: Diese Wendung findet sich sonst nicht mehr in den Paulusbriefen. »Es steht geschrieben«, »wie geschrieben steht« wäre die gewöhnliche paulinsche Formulierung.
  • Die Zwölf: Sie werden in den Paulusbriefen nur an dieser Stelle erwähnt.
  • Christus erschien: Erscheinungsterminologie ist ebenfalls nur in der Formel und den Aussagen zu finden, die in ihrem unmittelbaren Zusammenhang stehen; ansonsten ist sie in den Paulusbriefen nicht belegt.
  • Für die Auferweckungsaussage verwendet Paulus gewöhnlich den Aorist (ἐγέρθη/egerthe), nicht das Perfekt (ἐγήγερται/egegertai) wie in der Formel (und unter deren Einfluss auch an anderen Stellen in 1Kor 15).

 

Als Wortlaut der Formel ergibt sich:

1Kor 15,3b-4a 1Kor 15,4b-5
a Christus ist für unsere Sünden gestorben, a Er ist auferweckt worden am dritten Tag,
b gemäß den Schriften, b gemäß den Schriften,
c und ist begraben worden. c und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.

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4.3 Die Einleitung: V. 1-3a

Längst Bekanntes wird wie eine Neuigkeit angekündigt. Durch diese Spannung wird der Rekurs auf das Evangelium als bereits bekannte Größe betont.

Vier Relativsätze erläutern das »Evangelium«: Verkündigung durch Paulus, Annahme durch die Adressaten, deren Feststehen im Evangelium, dessen rettende Funktion. Die rettende Kraft des Evangeliums wird allerdings an eine Bedingung geknüpft: das Festhalten am Wortlaut – entsprechend wird in V. 3b-5 der Wortlaut zitiert.

Die Bedeutung dieses Zitats wird erst im Lauf des Gedankengangs deutlich:

  • Geht man nicht über den Wortlaut hinweg, ist es auch nicht möglich, die Totenauf­erstehung abzulehnen.
  • Die gemeinsame Basis des christlichen Bekenntnisses kann markiert werden (s.a. V. 11).

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4.4 Zum Verständnis der Glaubensformel

Struktur

In der ersten Zeile (a, a) geht es jeweils um ein Ereignis, das in der zweiten (b, b) als schriftgemäß bezeichnet wird, ehe die dritte Aussage (c, c) die erste bestätigt.

► Die verschiedenen Zeilen haben also nicht dasselbe Gewicht. Im Zentrum der Formel stehen Tod und Auferweckung Jesu. Der Tod wird bekräftigt durch den Hinweis auf das Begräbnis: Jesus ist wirklich gestorben; die Erscheinungen unter­streichen die Wirklichkeit der Auferweckung. Der parallele Aufbau macht die Zusammengehörigkeit von Tod und Auferweckung deutlich.

 

»Gestorben für unsere Sünden«

Die Deutung des Todes Jesu als für unsere Sünden geschehener Tod kann vom Horizont der Auferweckung aus erfolgen. Auf der anderen Seite wäre ohne den Blick auf das Kreuz die Auferstehung nicht recht verstanden (zum Sinn dieser Formel s. hier). 

 

»Gemäß den Schriften«

Der Hinweis auf die Schriftgemäßheit ist jeweils auf die ganze Aussage zu beziehen. Gedeutet wird das »Sterben für unsere Sünden« und die »Auferweckung am dritten Tag«

  • Anders deutet Jürgen Roloff: Die beiden Heilsereignisse (Tod und Auferweckung) werden ihm zufolge mit zwei Interpretamenten versehen, »für unsere Sünden« und »gemäß den Schriften« bzw. »am dritten Tag« und »gemäß den Schriften«. Nur Tod und Auferweckung sollen demnach als schriftgemäß dargestellt werden.

    Gegen diese Aufteilung spricht die Struktur, die sich durch die Wiederholung von »gemäß den Schriften« ergibt. Sie legt nicht nahe, »für unsere Sünden« und »am dritten Tag« als Interpretament abzutrennen von der Notiz von Tod und Auferweckung Christi.

Der Schriftbezug ordnet den Tod für unsere Sünden und die Auferweckung am dritten Tag in die Heilsgeschichte ein und soll zeigen, dass sich in diesem Geschehen die Verheißungen Gottes erfüllen. Ein Bezug auf bestimmte Schriftstellen ist aber nicht ohne weiteres zu erkennen.

  • Im Hintergrund der Vorstellung vom Sühnetod Jesu dürfte vor allem Jes 53 (der leidende Gottesknecht) stehen. Von ihm heißt es, er sei »zerschlagen um unserer Sünden willen« (Jes 53,5). Mit der LXX ergibt sich keine wörtliche Übereinstimmung, doch schließt das den Bezug auf die Prophetenstelle nicht aus. Es bleibt allerdings bei der zurückhaltenden Anspielung; deutlich wachgerufen wird der Text nicht, wie schon zur Abendmahlsüberlieferung zu beobachten war (s. hier; zum Sinn der Sühnevorstellung s. hier).
  • Für die Erklärung der Zeitangabe der Auferweckung »am dritten Tag« werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen:
    • Man könnte an eine Anspielung auf Hos 6,2 denken. Dort ist vom rettenden Eingreifen Jahwes für Israel »am dritten Tag« die Rede: »Er wird uns nach zwei Tagen neu beleben, am dritten Tag uns aufrichten.« In der LXX ist an dieser Stelle ein Wort verwendet, das im Neuen Testament auch für Jesu Auferstehung gebraucht werden kann – allerdings gerade nicht in 1Kor 15,4 (ανίστημι/anhistemi, nicht ἐγείρω/egeiro).
    • Es gibt zudem weitere mögliche Bezugspunkte: Jon 2,1 (Jona drei Tage im Bauch des Fisches); Ex 19,11.16 (Erscheinung JHWHs auf dem Sinai am dritten Tag); 2Kön 20,5 (Verheißung der Heilung Hiskias am dritten Tag).

      So liegt wahrscheinlich gar kein Bezug auf eine bestimmte Textstelle vor, sondern auf die mehrfach belegte Vorstellung vom rettenden Handeln Gottes »am dritten Tag«. Damit ist auch klar: Es geht nicht um die Angabe eines exakten Zeitpunktes. Vielmehr wird die Rückführung des Geschehens auf Gott und seinen Willen durch diesen traditionellen Topos verstärkt.

»Für den frühen Schriftbeweis ist es charakteristisch, daß er nicht ausdrückliche Zitate gibt, sondern sich mit allgemeinen Andeutungen begnügt«

H. Conzelmann

 

»Auferweckt«

Die Verbform, die oben wiedergegeben wurde mit »er ist auferweckt worden« (ἐγήγερται/egegertai), ließe sich auch übersetzen: »Er ist auferstanden.« Dennoch ist die passivische Formulierung, die auf ein Handeln Gottes verweist (passivum divinum), vorzuziehen, denn: 

  • Zum einen sind die frühen Glaubensformeln entsprechend formuliert – verständlicherweise: Der Tod Jesu hat die Frage nach der Stellung Gottes zum Gekreuzigten provoziert (s.o.); und diese Frage wird durch Auferweckung Jesu durch Gott beantwortet.
  • Zum andern bezeugt Paulus im Kontext diese Perspektive (»… dass Gott Christus auferweckt hat«: 1Kor 15,15).

Auffälligerweise ist die Auferweckungsaussage im Perfekt formuliert. Im Griechischen wird damit die Fortdauer eines erreichten Zustandes ausgedrückt; der Ton liegt nicht auf einem einmaligen Vorgang, sondern auf dessen Resultat. Es wird in 1Kor 15,4 also »von dem gesprochen, der jetzt der Auferweckte ist und als der gegenwärtig Lebendige bekannt wird« (A. Lindemann). Diese Ausrichtung steht in Spannung zur Zeitangabe »am dritten Tag«, die ja auf einen Zeitpunkt gerichtet ist. Möglicherweise ist die Perfektform sekundär (J. Kremer schreibt sie Paulus zu).

Der beschriebene Sinngehalt der verwendeten Zeitform lenkt den Blick auf die endzeitliche Bedeutung der Auferweckung Jesu. Es geht nicht wie in Totenerweckungserzählungen um eine Rückkehr ins Leben unter den Bedingungen dieser Welt, »sondern um die endgültige Errettung des Gekreuzigten aus dem Bereich des Todes« (J. Kremer). Die Auferweckung Jesu ist ein endzeitliches Ereignis, Hereinbrechen des neuen Äons in den alten.

  • In 1Kor 15 wird das direkt bestätigt durch die Rede von Christus als dem »Erst­ling der Entschlafenen« (15,20). Seine Auferweckung leitet die endzeitliche Totenauf­erstehung ein – dieser Zusammenhang ist für Paulus grundlegend in seiner Argumentation gegen die Leugnung der Auferstehung in der Gemeinde von Korinth.

 

»Erschienen«

Die Aussage über die Erscheinung bestätigt diejenige über die Auferweckung. Dass der Gekreuzigte Kephas und den Zwölf erscheint, ist nur möglich, weil er nicht im Tod geblieben ist, sondern auferweckt und in göttliche Macht eingesetzt wurde.

Diesen Zusammenhang erweist ein Blick auf die Bedeutung des Erscheinungsmotivs im Alten Testament. Der griechische Ausdruck (ὤφθη/ophthe) nimmt atl Sprachgebrauch auf: Wenn Gott oder ein Engel sich zu erkennen gibt, ist die Rede von »erscheinen« (z.B. Gen 12,7; 17,1; 18,1; 35,9, Ex 3,2; allerdings gilt dieser Zusammenhang nicht ausschließlich: vgl. 1Kön 3,16). Daraus lässt sich folgern:

  • Die Erscheinung enthält ein aktives Element. Es geht nicht nur um ein Sehen, sondern darum, dass sich einer sehen lässt, sich zu erkennen gibt. Dass Paulus ein und dasselbe Geschehen mit »erscheinen« (1Kor 15,8) und mit »Offenbarung durch Gott« (Gal 1,15f) wiedergeben kann, bestätigt diesen Akzent (Philo hebt ihn in Abr 80 ausdrücklich hervor).
  • Wenn Erscheinungsterminologie auf den Auferstandenen übertragen wird, wird er in göttlicher Macht vorgestellt. Die Aussage »er erschien« ist also bereits eine Deutung der Erfahrung, die die Jünger nach dem Karfreitag gemacht haben, keine rein informative Beschreibung der Ostererfahrung. Wir können nur sagen: Die Jünger haben eine solche Erfahrung gemacht und sind durch sie zum Glauben an die Auferweckung Jesu gekommen. Wie diese Erfahrung aber näherhin »ausgesehen« hat, bleibt uns verschlossen.

Dass die Erscheinung der Legitimation der Erscheinungsempfänger diente, also deren Autorität stützen sollte, lässt sich dem Wortlaut der Formel in 1Kor 15,3-5 nicht entnehmen (er ist, wie gezeigt, auf die Bestätigung der Auferweckungsaussage ausgerichtet). Auch der gerade besprochene atl Hintergrund spricht nicht für diese Annahme. Und Paulus setzt die Erscheinungstradition eher für die Begründung der Botschaft als für die Legitimation der Erscheinungsempfänger ein (vgl. 1Kor 15,11: »ob nun ich oder jene, so verkünden wir und so seid ihr zum Glauben gekommen«).

 

»Kephas, dann den Zwölf«

In der Nennung des Petrus schlägt sich dessen Rolle für die nachösterliche Sammlung des Jüngerkreises nieder. Sie gründet in der Ersterscheinung (s.a. Lk 24,34). Vom Zwölferkreis spricht Paulus nur an dieser Stelle. Auch im Zusammenhang mit dem Apostelkonzil erwähnt er ihn nicht.

Dass Judas hier nicht berücksichtigt ist, belegt nicht die erst nachösterliche Entstehung dieses Kreises. Im Rahmen einer Formel kam es nicht auf numerische Exaktheit an, sondern auf die eindeutige Identifizierung der gemeinten Gruppe.

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4.5 Weitere Erscheinungen – bis zu Paulus

V. 6f

Von einer Erscheinung vor »über 500 Brüdern« hören wir nur an dieser Stelle. Sollte auf das Pfingstereignis angespielt sein (das einzig literarisch bezeugte »Massenphänomen«), müsste die Tradition stark umgestaltet worden sein: Von einer Christuserscheinung ist in Apg 2 nicht die Rede, sodass man auf den Zusammenhang von Ostern und Geistverleihung rekurrieren müsste (s. Joh 20,22f).

Paulus gewinnt in den »über 500 Brüdern« weitere Zeugen für die Wirklichkeit der Auferweckung. Zwar muss der Hinweis, die meisten seien noch am Leben, nicht darauf zielen, dass diese Zeugen noch befragt werden können; doch die große Zahl der Zeugen kommt seiner Intention durchaus entgegen.

  • Die Notiz, einige dieser Erscheinungsempfänger seien bereits entschlafen, unterstreicht die Wirklichkeit der Totenauferstehung. Wenn der von den Toten Auferweckte erscheint und die Erscheinungsempfänger sterben, wird unterstrichen, dass die Rede von Auferweckung die Überwindung der Todesgrenze einschließt und es nicht um den jetzt schon erworbenen Geistbesitz o.ä. geht, der im Tod vom Leib befreit würde.

Von einer Erscheinung vor Jakobus, dem Bruder des Herrn, erfahren wir nur an dieser Stelle. Sie kann erklären, dass ein Mitglied der Familie Jesu, die zur Zeit seines Wirkens Jesus ablehnend gegenüberstand, zu den Christusgläubigen stößt.

Dem Jakobus werden »alle Apostel« zugeordnet. Die Apostel werden also nicht mit dem Zwölferkreis identifiziert. Auch wenn sich nicht genau angeben lässt, wer zu dieser »Gruppe« gehört hat, ist sie doch nicht unbegrenzt: Paulus spricht von »allen Aposteln« und bezeichnet sich selbst als letzten (V. 8).

► Deutlich wird der Zusammenhang von Erscheinung und Aposteldienst.

 

V. 8-11

Dass Paulus relativ ausführlich auf die ihm selbst zuteil gewordene Christuserscheinung zu sprechen kommt, dient in erster Linie nicht der Verteidigung seines Apostolates. Es muss aus der Aussageintention des ganzen Abschnitts erklärbar sein.

Bis hierhin hat sich gezeigt: Der Rekurs auf die Erscheinungen sollte die Wirklichkeit der Erweckung Christi aus den Toten unterstreichen. Dies geschieht nun im Blick auf das persönliche Zeugnis des Paulus. Auch er tritt für die Zuverlässigkeit dieser von ihm verkündeten Botschaft als Erscheinungsempfänger ein. So bringt er seine Autorität ins Spiel.

  • Die scheinbaren Demutsgesten (»Totgeburt«; »geringster der Apostel«) sprechen nicht gegen dieses Urteil. Paulus präsentiert sich als letzten Zeugen: Nach ihm hat der Herr keine weitere Apostelberufung mehr nötig, weil er sich einen so trefflichen Arbeiter erwählt hat, der größeren Erfolg vorweisen kann als alle anderen (V. 10).

Die starke Betonung der Gnade in V. 10 hat nicht nur den Sinn, die etwas überheblich klingende Selbstaussage zu mildern. Zugleich wird betont, dass das Evangelium von Tod und Auferweckung Christi tatsächlich durch die Macht Gottes gedeckt ist. Dies ist der positive Sinn jener Demutsgesten: Nur durch Gottes Eingriff konnte aus dem Verfolger der wirkmächtigste Apostel werden.

Auch wenn Paulus seinen Beitrag gegenüber den anderen Aposteln profiliert, so doch nicht sein Evangelium. Es entspricht dem, was alle verkünden, die Adressaten haben es angenommen (V.11). Damit schlägt er einen Bogen zum Beginn des Abschnitts.

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