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1Sam 16,1–13

Die Salbung Davids

  1. Kontext
    1. Unmittelbarer Kontext
    2. Die Perikope im Kotext der Aufstiegsgeschichte Davids
    3. Die Salbung Sauls im Vergleich
  2. Struktur
  3. Sprachliche Beobachtungen
    1. Wörter aus dem Wortfeld „Opfer“
    2. Das Leitwort „sehen“ und die Weisheit über das „Sehen“ als Kernaussage
  4. Inhaltliche Beobachtungen
    1. Davids spätes Auftreten in der Perikope
    2. Thematik der Erwählung und Verwerfung
    3. Das Motiv der Geschwister-Vertauschung
    4. Das Hirtenmotiv
    5. Zur Königssalbung
  5. Quellen

Kontext

Unmittelbarer Kontext

Die Perikope steht zwischen den Erzählungen von Sauls endgültiger Verwerfung (1Sam 15) und von Davids Ankunft an Sauls Hof (1Sam 16,14–23). Der vorangehende Text handelt vom Ungehorsam Sauls gegenüber JHWHs klaren Befehlen und der daraus resultierenden Verwerfung Sauls (vgl. 15,23.26). In 15,28 wird außerdem eine Information wiederholt, die schon seit 13,14 bekannt ist: JHWH hat mit Sauls Verwerfung bereits einen Nachfolger für das Königsamt im Sinn (vgl. Schroer, Samuelbücher, 83). Somit kommt die Salbungserzählung Davids nicht unerwartet (vgl. Dietrich, Samuel, 209). Der unmittelbar folgende Erzählabschnitt 1Sam 16,14–23 handelt von Davids Dienst als Leierspieler an Sauls Hof. Er gewinnt Sauls Wohlwollen und bleibt schließlich als Waffenträger an seinem Hof (vgl. 16,21–22). Dass David zum König gesalbt wurde, findet in der nachfolgenden Perikope keine Erwähnung, der Text übernimmt gänzlich die nichtsahnende Perspektive Sauls und seiner Bediensteten. Eine Anknüpfung an die Salbungserzählung besteht durch die auffällige Brücke über das Wort „Geist“ am Übergang der beiden Perikopen: In 16,13c geht der Geist des Herrn nach der Salbung auf David über, in 16,14a ist derselbe von Saul gewichen (vgl. Dietrich, Samuel, 203).

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Die Perikope im Kontext der Aufstiegsgeschichte Davids

In der Forschung werden häufig die Erzählkomplexe Samuel und Saul (1Sam 1–15), eine Aufstiegsgeschichte Davids (1Sam 16–2Sam 5), des Weiteren eine Thronfolgegeschichte Davids (2Sam 6–20) sowie Ergänzungen zur Regierungszeit, Heldentaten und Sühnen Davids (2Sam 21–24) unterschieden (vgl. Hentschel, Samuelbücher, 290). Durch die Stellung der Salbungsgeschichte 1Sam 16,1–13 am Anfang der Aufstiegsgeschichte wird vermittelt, dass Davids Herrschaft allem voran göttlich legitimiert ist (vgl. Seidl, David, 54).

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Die Salbung Sauls im Vergleich

Die Salbungserzählung von David ist vergleichbar mit der Salbung Sauls (1Sam 9,1–10,16). Folgende Gemeinsamkeiten lassen sich feststellen:

  • JHWH wählt den zu Salbenden aus (9,16 bzw. 16,1)
  • Samuel ist sein Werkzeug, das die Salbung durchführt (10,1 bzw. 16,13)
  • Die Salbung findet im Kontext eines Opferfestes statt (9,12 bzw. 16,5)
  • Sie wird bei beiden Königen heimlich abseits der Öffentlichkeit durchgeführt (10,16 bzw. 16,13; vgl. Stolz, Samuel, 106).

Gleichzeitig sind auch Unterschiede festzustellen:

  • Ausgangslage: Königswunsch des Volkes bei Saul (8,19–20; 9,16); ausschließlich JHWHs Wort und Wille bei David (13,14; 15,28; 16,1; vgl. Schöning, Geschwisterlichkeit, 62).
  • Steigerung der Amtsbezeichnung: Saul sollte zum „Fürsten“ (9,16) gesalbt werden, David zum „König“ (16,1h; vgl. Schöning, Geschwisterlichkeit, 62).
  • Der Geist des Herrn ist direkt nach der Salbung über David (16,13c); bei Saul hingegen erst nach der Wandlung seines Herzens durch Gott (10,9–10).

Die auffallende Parallelität zwischen den Salbungen Sauls und Davids legt nahe, dass die beiden Texte verglichen werden wollen (vgl. Schöning, Geschwisterlichkeit, 64). Die Salbung Davids wird durch die Kontraste, Steigerungen und Veränderungen gegenüber der Salbung Sauls aufgewertet.

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Struktur

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Sprachliche Beobachtungen

Wörter aus dem Wortfeld „Opfer“

Die Begriffe „Opfer“ bzw. „Schlachtopfer“ (2hI.3a.5cI.5e.5g) und das Verb „heiligen“ (vgl. 5d.5g) fallen durch ihre Häufigkeit in der ersten Hälfte des Textes auf. Ein letztes Mal begegnet der Zusammenhang zum Wortfeld in 11i, wenn Samuel vom „Mahl“ spricht, dem auch David beiwohnen soll.

Das Schlachtopfer (hebr. zœbaḥ) war das Hauptopfer der vorexilischen Zeit in Israel, dessen Durchführung nicht nur dem Priester vorbehalten war. Es war im regionalen und familiären Kult bei regelmäßigen Festen und anderen Anlässen als Ausdruck des Danks, des Gelübdes oder als freiwilliges Opfer verbreitet (vgl. Kratz, Art. Opfer, 353).

Die Heiligung (hebr. qādôš „heilig“) beschreibt im Alten Testament den Vorgang der Absonderung eines Menschen, eines Tieres oder eines Gegenstands aus der profanen Sphäre und damit den Übergang in die heilige, also auch göttliche Sphäre (vgl. Wagner, Art. Heiligung: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20881/). Die Heiligung von Menschen wurde unter anderem und primär vor der Teilnahme an Kulthandlungen durchgeführt (vgl. Num 11,18; 1Sam 16,5) und ist in diesem Kontext am ehesten als vorbereitender Reinigungsritus zu verstehen. Wenn Samuel den Ältesten also die Anweisung zur Heiligung gibt, fordert er sie höchstwahrscheinlich dazu auf, sich zu waschen und frisch anzukleiden, um am Opfer teilnehmen zu können (vgl. Dietrich, Samuel, 224). Was genau Samuel tut, wenn er Isai und seine Söhne heiligt, kann nicht eindeutig erschlossen werden. Es ist eine zusätzliche Segnung durch den Propheten denkbar, was auch als Gelegenheit für Samuel interpretiert werden kann, die Söhne einzeln zu Gesicht zu bekommen (vgl. Dietrich, Samuel, 224). Insgesamt scheint ein Schlachtopfer als regelmäßiges Gemeinschaftsfest ein passender Vorwand für Samuels Kommen nach Betlehem zu sein. Durch die genannten Ungereimtheiten und das abrupte Ende auf Ebene der Textstruktur fügt es sich jedoch nicht bis zum Schluss harmonisch in den Handlungsverlauf ein.

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Das Leitwort „sehen“ und die Weisheit über das „Sehen“ als Kernaussage

Beim Lesen des Textes 1Sam 16,1–13 fällt insbesondere das häufige Vorkommen von Wörtern aus der Wortfamilie sehen bzw. mit der Wurzel sehen auf: „ausersehen“ (1h), „sah“ (6b), „sieh“ (7b), „Aussehen“ (7b) sowie geballt viermal in der Form „sieht“ (7d.7dR.7e.7f).

Die hebräische Wortwurzel für sehen ist ra’ah, ein Verb, das in seiner Hauptbedeutung zum Ausdruck der sinnlichen Wahrnehmung verwendet wird (vgl. Neef, Art. Sehen, siehe, 1226). In der Perikope hat der Begriff jedoch einen breiteren Bedeutungsgehalt. Bei seinem ersten Vorkommen in Form von „ausersehen“ (1h) trägt er die besondere und eher untypische Bedeutung des Erwählens durch Gott (vgl. Krauss / Küchler, Saul, 143). Seine Kulmination erfährt das Leitwort in V. 7, wenn JHWH in die Musterung der Söhne eingreift („Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz“). Wenn Gott sieht, so ist sein Sehen als besondere Art der Wahrnehmung zu verstehen, es scheint umfassender zu sein und weitaus mehr und tiefere Dimensionen zu erfassen, als es dem menschlichen Sehen möglich ist. Dabei weisen 7e–f Merkmale eines (Weisheits-)Spruchs auf.

7e–eR             Der Mensch                sieht,               was vor den Augen ist,           

7f                    der HERR aber           sieht                das Herz.

Die beiden Glieder stehen zueinander antithetisch parallel (so auch Fokkelman, Crossing Fates, 122). Sie sind syntaktisch parallel aufgebaut (Subjekt – Prädikat – Objekt), durch die hierfür typische Konjunktion „aber“ zeigen sie jedoch Gegensätzlichkeiten an. Auch inhaltlich stehen die Aussagen zueinander antithetisch. „Der Mensch“ und „der Herr“ sind zwei grundverschiedene Subjekte und auch die Objekte „Augen“ und „Herz“ fallen in verschiedene Kategorien. Im Rahmen von 1Sam 16,1–13 kann dieser Weisheitsspruch als Kernaussauge des Textes betrachtet werden.

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Inhaltliche Beobachtungen

Davids spätes Auftreten in der Perikope

Ein auffälliger Punkt ist die Art und Weise von Davids Präsenz in der Textstruktur und der Handlung. Zunächst bleibt die Existenz Davids für den Leser lange verborgen, nach V. 6 und der Vollkommenheit von sieben Söhnen erwartet man keinen weiteren Sohn, der Text erweckt den Eindruck der erfolglosen Abgeschlossenheit der Musterung (vgl. Dietrich, Samuel, 213). Erst nach Samuels aktivem Fragen in 11b wird die Existenz eines weiteren, und zwar des jüngsten Sohnes in 11d durch Isai mitgeteilt. Im Gespräch über diesen Sohn fällt allerdings sein Name gar nicht, lediglich „der jüngste“ (11d), und Pronomen (11e.h.j) werden verwendet. Erst bei Davids Erscheinen in der Handlungsszene in 12c wird in der EÜ sein Name genannt, in Verbindung mit Informationen zu seinem Erscheinungsbild. Danach kommt der Name noch zweimal vor, in 13b beim Salbungsvorgang, sowie in 13c bei der Wirkung der Salbung, also der Geistgabe. Im hebräischen Text und entsprechend in der Elberfelder Bibel fällt Davids Name in der Geschichte sogar nur ein einziges Mal, und zwar in 13c, nachdem er bereits gesalbt wurde. Der Name und somit David selbst wird auf diese Weise intensiv mit der Identität des von Gott Gesalbten verbunden. Es fällt außerdem auf, dass David in der gesamten Salbungsgeschichte völlig passiv bleibt, er selbst wird weder sprechender noch handelnder Akteur, vielmehr Objekt der Geschehnisse. Damit wird die grundsätzliche Vorstellung von göttlicher Erwählung akzentuiert, die unabhängig von menschlichen Leistungen und Qualifikationen geschieht.

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Thematik der Erwählung und Verwerfung

In 1Sam 16,1–13 wird der Leser auf besondere Weise mit den Handlungen der Erwählung und Verwerfung durch JHWH konfrontiert. Im Sprachgebrauch des Alten Testaments kann „verwerfen“ (m’s) dabei als direkter Gegenbegriff zu „erwählen“ (bḥr) verstanden werden (vgl. Rieger, Art. Erwählung, 312). Zentral für die Vorstellung göttlicher Erwählung im Alten Testament ist, dass sie nicht auf Grundlage besonderer Voraussetzungen oder Verdienste geschieht, sondern rein von Gott ausgeht. Sie ist dabei zwar Privileg, aber in erster Linie auch Verpflichtung (vgl. Kessler, Art. Volk, erwähltes, 430). Die Erwählung des Volkes Israel stellt die wichtigste Ausprägung dieser Tradition dar (vgl. Preuß, Theologie, 33). Verwerfung wird zum Ausdruck der Zurücknahme einer vorausgegangenen Erwählung durch Gott verwendet. Sie folgt zudem immer als angemessene Strafe auf ein deutlich ausgesprochenes Fehlverhalten (vgl. Preuß, Theologie, 33).

Das Verb „erwählen“ selbst kommt in 1Sam 16,1–13 in positiver Formulierung nicht vor. Stattdessen wird davon gesprochen, dass JHWH sich einen König „ausersehen“ (1c) hat. An zwei Stellen begegnet man dem Gegenbegriff „verwerfen“: einmal in 1c, wo JHWH an die Verwerfung Sauls erinnert; zum zweiten Mal in 7c, wo JHWH aussagt, er habe Isais ältesten Sohn Eliab verworfen. Die Verwerfung Eliabs passt nicht in das klassische Muster. Er wurde in 1Sam 16,6b als völlig neue Person eingeführt, weshalb er weder zuvor erwählt wurde noch die Möglichkeit hatte, etwas falsch zu machen. Eine Erklärungsmöglichkeit bietet die David-Goliath-Erzählung in 1Sam 17. Dort wirft Eliab David unberechtigt Keckheit und Bosheit des Herzens vor (vgl. 1Sam 17,28), was als nachträgliche Bestätigung für JHWHs Verwerfung in 16,7c fungieren kann (vgl. Dietrich, Samuel, 225). Außerdem wird eine Parallele zwischen Eliab und Saul gezogen: Beide zeichnen sich durch eine vergleichbare äußere Erscheinung aus, nämlich eine große, kräftige und somit königswürdige Statur (vgl. 1Sam 10,23 für Saul bzw. 1Sam 16,7 für Eliab), wodurch über Eliabs Verwerfung auch an die Verwerfung Sauls erinnert wird und so auch bei der Salbung Davids indirekt der Kontrast zwischen David und Saul vor Augen geführt wird (vgl. Fokkelman, Crossing Fates, 122; Schöning, Geschwisterlichkeit, 116).

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Das Motiv der Geschwister-Vertauschung

Eng verbunden mit der Thematik der Erwählung und Verwerfung klingt in 1Sam 16,1–13 ein für die Genesis-Erzählungen typisches Motiv der Geschwister-‍Vertauschung an (z. B. Isaak und Ismael, Jakob und Esau, Josef und Juda etc.; vgl. Hensel, Vertauschung, 231). David ist der jüngste Sohn Isais (vgl. 16,11d) und erhält Vorrang vor sieben älteren Brüdern (vgl. 16,10a–c), insbesondere vor dem Erstgeborenen, der ja verworfen wird (vgl. 16,7b–c). Für Eliab wird in 1Sam 16,1–13 zwar nicht explizit ausgesagt, er sei der älteste Sohn, doch lässt sich dies aus der Reihenfolge der Nennung der Söhne erschließen (vgl. Hensel, Vertauschung, 33). Seine besondere Wirkung erhält das Vertauschungsmotiv aus der altorientalischen Vorstellung vom Status des erstgeborenen Sohnes. Er erfuhr besondere Hochschätzung, trug den väterlichen und göttlichen Segen und war Garant für das Fortbestehen der Sippe, war gleichzeitig aber auch Erwartungen und Ansprüchen ausgesetzt (vgl. Hensel, Vertauschung, 33). Eine Bevorzugung des jüngeren bzw. jüngsten Bruders und die Degradierung des Erstgeborenen bedeutet somit die Dekonstruktion einer in Israel üblichen und hoch eingeschätzten sozialen Institution (vgl. Dietrich, Samuel, 240). Obwohl nicht alle typischen Elemente des Motivs in der David-Eliab-Konstellation erfüllt sind, findet man hier doch insgesamt eine Geschwistervertauschung vor, die an ähnliche Situationen aus bekannten Genesis-Erzählungen erinnert (vgl. Hensel, Vertauschung, 227, 231). Das Motiv unterstreicht, dass Gott entgegen dem menschlichen Brauch handeln kann und auch handelt (vgl. Fokkelman, Crossing Fates, 129).

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Das Hirtenmotiv

In 11d–e erfährt man, dass David nicht anwesend ist, weil er die Schafe hütet. Er wird also implizit als Hirte dargestellt. Auf profaner Ebene ist „Hirte“ ein in Israel und dem Alten Orient geläufiger Beruf, der mit der Aufgabe verbunden ist, die „anvertraute Kleinviehherde zu leiten und zu weiden“ (Lee, Symbole, 191). Im Gegenzug kann die Herde auf den Hirten vertrauen und in Sorglosigkeit leben (vgl. Lee, Symbole, 191). Der Hirtentitel als Metapher für den König wird in der Umgebung Israels häufig verwendet (vgl. Lee, Symbole, 194–197). Die aus dem alltäglichen Leben bekannten Aufgaben, Rechte und Pflichten eines Hirten werden auf die Herrscherperson übertragen und so veranschaulicht (vgl. McKenzie, König David, 60). Durch den Einbau des Hirtenmotivs bei der ersten Vorstellung Davids überhaupt werden einerseits diese zentralen Königsvorstellungen schon in die Jugendzeit Davids verlagert. Andererseits wird dadurch betont, dass er als einfacher namenloser Hirte gestartet hat und nicht von königlicher Abstammung war (vgl. Lee, Symbole, 205).

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Zur Königssalbung

Die Salbung spielte für Menschen in altorientalischen Kulturen im alltäglichen sowie im kultischen und rituellen Leben eine wichtige Rolle (vgl. Riede, Art. Salbung: http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/25870/). Die hebräische Wortwurzel, die für die Salbung in der Perikope verwendet wird, ist mšḥ (vgl. 3c.6d.13b). Salbriten sind insbesondere bei Königseinsetzungen biblisch belegt, und zwar für sieben israelitische bzw. judäische Könige: Saul (1Sam 10,1), David (1Sam 16,13; 2Sam 2,4; 5,3), Salomo (1Kön 1,39), Jehu (2Kön 9,6), Joasch (2Kön 11,12) und Joahas (2Kön 23,30) sowie rückblickend (2Sam 19,11) für Abschalom (vgl. Kutsch, Salbung, 52 f.). Einzeluntersuchungen dieser Salbungsberichte führen zu einer komplexen Traditionsgeschichte dieser Praxis, was schon an den unterschiedlichen Salbungssubjekten „Volk“ und „JHWH“ deutlich wird. In der hier behandelten Salbungserzählung in 1Sam 16,1–13 ist der Salbungsvollzieher Samuel, der im direkten Auftrag des Salbungssubjekts JHWH handelt. Das Motiv der Geheimhaltung unterstreicht dabei, dass es sich bei der Salbung um ein Geschehen zwischen JHWH und dem von ihm erwählten König handelt und dieser dadurch zum Amt befähigt wird (vgl. Waschke, Der Gesalbte, 45.). Bei der Königssalbung durch das Volk steht die Ermächtigung zur Herrschaft durch das Volk im Vordergrund, und es wird eine Beziehung zwischen König und Volk hergestellt (vgl. Kutsch, Salbung, 55; Waschke, Der Gesalbte, 50.). Auch eine solche Salbung ist für David biblisch sogar zweimal bezeugt (vgl. 2Sam 2,4; 5,3). Die Königssalbung kann insbesondere für die Beschäftigung mit alttestamentlichen Messias-Vorstellungen interessant werden, da hier für den König der Begriff des „Gesalbten JHWHs“ (mšḥ, gräzisiert Messias) verwendet wird.

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Quellen

  • Butting, Klara, Art. Salbung, in: Crüsemann, Frank u. a. (Hg.), Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009, 495–496.
  • Dietrich, Walter, Samuel. Teilband 2: 1Sam 13–26 (BKAT VIII/2), Neukirchen-Vluyn 2015.
  • Fokkelman, J. P., Narrative Art and Poetry in the Books of Samuel. Volume II: The Crossing Fates (I Sam. 13–31 & II Sam. 1) (SSN 23), Assen – Maastricht 1986.
  • Gottlieb, Hans, Die Tradition von David als Hirten, in: VT 17 (1967) 2, 190–200.
  • Heinrich, André, David und Klio. Historiographische Elemente in der Aufstiegsgeschichte Davids und im Alten Testament (BZAW 401), Berlin – New York 2009.
  • Hensel, Benedikt, Die Vertauschung des Erstgeburtssegens in der Genesis. Eine Analyse der narrativ-theologischen Grundstruktur des ersten Buches der Tora (BZAW 423), Berlin – New York 2011.
  • Hentschel, Georg, Die Samuelbücher, in: Frevel, Christian u. a. (Hg.), Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 92016, 289–299.
  • Hieke, Thomas, Art. Verwerfung, in: HGANT (42015) 448–450.
  • Kessler, Rainer, Art. Volk, erwähltes, in: Fieger, Michael / Krispenz, Jutta / Lanckau, Jörg (Hg.), Wörterbuch Alttestamentlicher Motive, Darmstadt 2013, 425–431.
  • Kratz, Reinhard G., Art. Opfer, in: HGANT (42015) 353–355.
  • Krauss, Heinrich / Küchler, Max, Saul – Der tragische König. Das erste Buch Samuel in literarischer Perspektive (Erzählungen der Bibel IV), Freiburg Schweiz – Stuttgart 2010.
  • Kutsch, Ernst, Salbung als Rechtsakt im Alten Testament und im Alten Orient, Berlin 1963.
  • Lee, Keung-Jae, Symbole für Herrschaft und Königtum in den Erzählungen von Saul und David (BWANT 210), Stuttgart 2017.
  • McKenzie, Steven L., König David. Eine Biographie, Berlin – New York 2002.
  • Neef, Heinz-Dieter, Art. Sehen, siehe, in: Betz, Otto / Ego, Beate / Grimm, Werner (Hg.), Calwer Bibellexikon. Band 2: L–Z, Stuttgart 2003, 1226–1227.
  • Preuß, Horst Dietrich, Theologie des Alten Testaments. Band 1: JHWHs verpflichtendes und erwählendes Handeln, Stuttgart 1991.
  • Riede, Peter, Art. Salbung (AT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, 2015, in: http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/25870/ (18.07.2023).
  • Rieger, Hans Martin, Art. Erwählung, in: Betz, Otto / Ego, Beate / Grimm, Werner (Hg.), Calwer Bibellexikon. Band 1: A–K, Stuttgart 2003, 312–313.
  • Schart, Aaron, Art. Berufung/Berufungsbericht (AT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, 2010, in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/15008/ (11.04.2023).
  • Schöning, Benedict, Geschwisterlichkeit lernen. Eine neue theologische Einschätzung der Aufstiegserzählung Davids (BWANT 223), Stuttgart 2019.
  • Schroer, Silvia, Die Samuelbücher (NSK.AT 7), Stuttgart 1992.
  • Seidl, Theodor, David statt Saul. Göttliche Legitimation und menschliche Kompetenz des Königs als Motive der Redaktion von 1Sam 16–18, in: ZAW 98 (1986) 1, 39–55.
  • Stolz, Fritz, Das erste und zweite Buch Samuel (ZBK.AT 9), Zürich 1981.
  • Wagner, Thomas, Art. Heiligung (AT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, 2017, in: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20881/ (29.05.2023).
  • Waschke, Ernst-Joachim, Der Gesalbte. Studien zur alttestamentlichen Theologie (BZAW 306), Berlin – New York 2001.
  • Witte, Markus, Literarische Gattungen in der alttestamentlichen Weisheit, in: Witte, Markus (Hg.), Von der Weisheit Gottes und der Menschen. Studien zur israelitisch-jüdischen Weisheit (FAT 163), Tübingen 2023, 7–28.

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Erstellt von Angelina Crnogorac, 2023.