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Passion und Tod

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Die Verhaftung Jesu

Welche Instanz betrieb die Verhaftung Jesu?

Die Evangelien schildern ein Zusammenwirken von jüdischer und römischer Obrigkeit beim Prozess gegen Jesus. Inwieweit dieses Bild den historischen Gegebenheiten entspricht, wird diskutiert – konzentriert auf die Frage, ob und inwiefern die jüdische Obrigkeit am Vorgehen gegen Jesus beteiligt war. Diese Zuspitzung hat vor allem zwei Gründe.

  • Die Beteiligung der römischen Obrigkeit steht wegen der Hinrichtungsart (Kreuzigung) historisch außer Frage. 
  • Die antijüdische Wirkungsgeschichte der Passionstradition provoziert die Frage, ob hier auch im Blick auf die historische Basis Unrecht geschehen ist: War die jüdisch Seite überhaupt beteiligt am Vorgehen gegen Jesus? 

Trotz solcher Anfragen spricht am meisten dafür, dass Jesus durch ein Zusammenspiel von jüdischen und römischen Instanzen verurteilt wurde. Die Römer haben die lokale Oberschicht in die Provinzverwaltung eingebunden und mitverantwortlich gemacht für die Wahrung der öffentlichen Ordnung mittels begrenzter polizeilicher Vollmachten. »Verantwortlich« heißt auch: Die römische Obrigkeit kann Sanktionen gegen die Lokalbehörden verhängen, wenn diese die übertragene Pflicht vernachlässigen. Nur wenn sie mit ihren Mitteln ihrer Aufgabe nicht gerecht werden können, greift die römische Militärmacht ein (Peter Egger). 

Vergleicht man die Fälle, in denen die Römer in Judäa unmittelbar eingriffen, mit dem Vorgehen gegen Jesus von Nazaret, so zeigt sich die Differenz: Die Römer werden dann selbst aktiv, wenn sich eine Menge um einen Anführer geschart hat und deshalb Aufruhr droht. Sie gehen mit Gewalt gegen die Gruppe vor, die als ganze Ziel der Aktion ist. In der Jesustradition gibt es keinen Anhaltspunkt für ein solches Eingreifen der römischen Obrigkeit. Jesus wird als Einzelner festgesetzt, seine Anhänger kommen alle davon. Dies ist nicht das Muster für eine unmittelbare römische Intervention. 

Der Verhaftungstrupp, der in Mk 14,43 geschildert wird, entspricht den Rechtsverhältnissen in Judäa. Der Hohe Rat schickt die »Tempelpolizei« und kann so Jesus festsetzen, ohne dass Tumult entstanden wäre. Da die Kapitalgerichtsbarkeit in der Hand des Präfekten lag, kam es zur Anklage vor Pilatus.

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Warum wurde Jesus verhaftet?

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Bei der Frage nach dem Grund für das Vorgehen gegen Jesus empfiehlt es sich nicht, ordnungspolitische gegen religiöse Motive auszuspielen. Im Palästina des 1. Jh. n.Chr. hing die öffentliche Ordnung wesentlich mit religiösen Vorstellungen zusammen. Werden diese verletzt, droht Unruhe bis zum gewaltsamen Widerstand. 

 

I. Eher unwahrscheinliche Ansatzpunkte

Gottesreichbotschaft Jesu im Ganzen

Das Vorgehen gegen Jesus spricht nicht dafür, dass Jesus nach dem Muster endzeitlicher Propheten als Störer der öffentlichen Ordnung verfolgt und dingfest gemacht wurde. Zwar war Jesus zur Zeit eines großen Pilgerfestes in Jerusalem, so dass man an einen verstärkten Zulauf denken könnte. Aber die Quellen belegen diesen Zusammenhang letztlich nicht. Jesus konnte als Einzelner festgenommen werden, seine Anhänger zerstreuten sich; niemand mehr trat für ihn ein. Es scheint also eine Zuspitzung in Jerusalem gegeben zu haben, die nicht für das Wirken Jesu im Ganzen typisch ist. 

 

Prophetische Zeichenhandlungen

Grundsätzlich könnten auch prophetische Zeichenhandlungen in Frage kommen, also der Einzug in Jerusalem (Mk 11,1-11) und die Tempelaktion (Mk 11,15-17). Wären jene Aktionen in diesem Sinn wahrnehmbar gewesen, hätte dies aber zum sofortigen Ende des Wirkens Jesu führen müssen.

  • Den Einzug eines Propheten, der mit königlichen Traditionen verbunden wird (»das kommende Reich unseres Vaters David«: Mk 11,10), hätten die Römer nicht unbeachtet gelassen. Zudem ist in der ältesten Fassung gar kein Einzug in die Stadt geschildert. Erst nach der Huldigungsszene heißt es, dass Jesus in die Stadt gegangen sei (Mk 11,11). 
  • Befürworter der Historizität der »Tempelreinigung« reduzieren das Ausmaß der Aktion, um zu erklären, dass Jesus danach nicht festgesetzt wurde. Doch selbst wenn sich Jesus nur gegen »einige Wechsler und Taubenverkäufer« gewendet hätte, »deren Tische und Stühle er umstürzt« (Joachim Gnilka), wäre mit Tumult im Tempelareal zu rechnen. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Zeichenhandlung, die, um historisch vorstellbar zu sein, so begrenzt sein muss, dass das Zeichenhafte kaum wahrnehmbar ist.

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II. Konflikt um die Bedeutung des Tempels

Die besten Argumente sprechen dafür, dass die Verhaftung Jesu in einem Konflikt um die Bedeutung des Temples begründet ist. 
  • Das Tempelwort (Mk 14,58; 15,29) und die Tempelprophetie (Mk 13,2) geben dafür einen Anhaltspunkt in der Jesustradition. Zwar wird das Tempelwort als Falschzeungis dargestellt und die Verurteilung Jesu in seinem messianischen Anspruch begründet (Mk 14,59-64). Dies dürfte sich aber urchristlicher Perspektive verdanken. Es fällt jedenfalls auf, dass zweimal in der Passionsgeschichte das Tempelwort zitiert wird. Zusammen mit Mk 13,2 kann man durchaus das Kriterium der mehrfachen Bezeugung heranziehen. 
  • Eine endzeitlich begründete Distanz zum Tempel passt in die Verkündigung Jesu (Zusage göttlicher Vergebung ohne Bezug zum Sühnekult). Das Kriterium der Kohärenz greift in diesem Fall. 
  • Der Tempel ist ein ordnungspolitisch relevanter Faktor und zugleich für die Priester von grundlegender theologischer Bedeutung. Ihr Eingreifen gegen Jesus aufgrund einer »Tempelkritik« wäre verständlich, obwohl Jesus keinen Aufruhr verursacht hat. Der kritische Punkt für eine Aktivierung der ordnungspolitischen Aufgabe lag niedriger, weil mit dem Tempel auch das theologische Zentrum der Priesterschaft betroffen ist. Es wäre historisch verkürzt, würde man das Eingreifen des Hohen Rates allein in Fragen von Macht oder Missgunst begründet sehen.

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Das Abendmahl und Jesu Todesverständnis – zur Frage nach der Sühnetod-Deutung

Die Frage, wie Jesus seinen Tod verstanden hat, ist in erster Linie an die Abendmahlstradition verwiesen. Ansonsten begegnet nur im »Lösegeldwort« (Mk 10,45parr) eine Deutung des Todes Jesu im Rahmen der Jesustradition. Die Leidensweissagungen (Mk 8,31; 9,31; 10,32-34 mit Parallelen) mit ihrem Verzicht auf eine Sinngebung des Todes Jesu werden gewöhnlich in der nachösterlichen Verkündigung verankert.

Die älteste erreichbare Fassung der Abendmahlstradition bietet wahrscheinlich keine Aussage über das sühnende Sterben Jesu. Dieses literar­kritisch begründete Urteil soll im Folgenden ergänzt werden durch die Bearbeitung der Sachfrage, ob Jesus eine Deutung seines Todes als eines Sühnetodes auf der historischen Ebene sinnvoll zugeschrieben werden kann. Zuvor ist aber zu klären, was in der Bibel unter »Sühne« verstanden wird.

Was ist Sühne?

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I. Das Problem

Wenn wir vom Tod Jesu und seiner Deutung sprechen, begegnen wir einem heute nicht geringen Problem. Im Neuen Testament ist der Tod Jesu mit dem Gedanken verbunden, dass er »zu unserem Heil« geschah, näherhin »zur Vergebung unserer Sünden«. Für uns heute ist die Rede vom Sühnetod nicht einfach zu verstehen, da wir Sühne in unserem Sprachkontext in der Nähe von »Strafe« wahrnehmen.

Angewendet auf das Verhältnis des Menschen zu Gott: Gott scheint die Sühneleistung zu fordern, um das gestörte Verhältnis der Menschen zu ihm wieder bereinigen zu können. Übertragen auf den Sühnetod Jesu ergibt sich das Bild eines kleinlich abrechnenden Gottes, der den Tod seines Sohnes verlangt, um den Menschen vergeben zu können.

 

II. Das biblische Verständnis von Sünde

Eine wichtige Voraussetzung zum Verstehen ist die biblische Sicht der Sünde. In diesem Rahmen ist Sünde eine objektive, fast dingliche Wirklichkeit: Hervorgerufen durch die böse Tat ist sie im geschehenen Bösen anwesend und wirksam – wirksam in dem Sinn, dass sie sich unheilvoll auswirkt auf den Täter, sein soziales Umfeld und die natürliche Ordnung. Sünde ist also vor allem Vergiftung der menschlichen Lebenssphäre, nicht Beleidigung Gottes.

Sühne eröffnet die Möglichkeit, von den Unheilsfolgen der Sünde loszukommen. Dies geschieht nach atl Tradition vorwiegend im Kult. Auch wenn der Sinn der einzelnen Riten nur schwer zu rekonstruieren ist, lässt sich der Grundzug der kultischen Sühne be­stimmen:

► Gott gewährt, von den Unheilsfolgen der Sünde loszukommen, indem er den Kult in Israel gestiftet hat.

Dies ist zu erkennen am zentralen Blutritus des »Sündopfers«: Das Blut, dem Genuss des Menschen entzogen, wird von Gott freigegeben, um Sühne zu wirken (Lev 17,11). Außerdem wird die Vergebung durch Gott nicht durch den Ritus selbst bewirkt, sondern schließt sich als eigener Akt an den Ritus an. Der Sühnekult ist nicht Selbsterlösung des Menschen, auch nicht Besänftigung des zürnenden Gottes.

Diese grundsätzliche Klärung soll zeigen, dass das Ergebnis zur Frage nach dem Todesverständnis Jesu sich nicht aus einer Ablehnung der Sühnekategorie erklärt. Es geht nicht darum, Jesus vor einer uns heute »peinlichen« Vorstellung zu bewahren. Die Deutung des Todes Jesu als Sühnetod ist zweifellos von grundlegender Bedeutung für die neutestamentliche Botschaft. Dies kann durch ein Ergebnis der historischen Rückfrage nicht gemindert werden. Die Aufgabe, sich der Botschaft vom sühnenden Sterben Jesu zu stellen, ergibt sich unabhängig vom Urteil historischer Jesusforschung.

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Das Verhältnis der Sühnetod-Deutung zur Verkündigung Jesu

Grundsätzlich wird gefragt, ob eine Deutung des Todes Jesu als Sühnetod in seine Botschaft zu integrieren ist. Jesus verkündet den zuvorkommenden Heilswillen Gottes, der alle annimmt und davon die Sünder nicht ausschließt. Lässt sich hier die Aussage einpassen, dass Gott durch den Tod seines Boten Vergebung gewährt?

► Pro: Jesus ist zur Überzeugung gekommen, dass Israel das von ihm verkündete Heilsangebot mehrheitlich bzw. durch seine offiziellen Repräsentanten abgelehnt habe.

Damit ergab sich ein theologisches Problem: die Frage nach der Wirksamkeit des göttlichen Heilswillens, den Jesus für Israel verkündet hatte. Der Sühnegedanke bot die Möglichkeit, an der Basileia-Botschaft festzuhalten. Gerade im Tod des endzeitlichen Boten Gottes erweist sich das Heilshandeln Gottes als wirksames Geschehen, insofern in diesem Tod Sühne geschieht und Israel auf diese Weise vom göttlichen Heilshandeln erreicht wird (H. Merklein). Die Deutung seines Todes als stellvertretender Sühnetod ermöglichte es Jesus, an seinem »Lebensthema der Versöhnung« (K. Backhaus) festzuhalten, zumal angesichts der Stellung Jesu zum Tempel: So trat Jesu Tod an die Stelle des kultischen Opfers und seiner sühnenden Funktion.

► Contra: Die Annahme, Jesus müsse seinem Tod heilsmittlerische Bedeutung zugemessen haben, um an seiner Botschaft festhalten zu können, lässt sich nicht begründen. Tatsächlich wäre in diesem Fall ein Bruch zur Basileia-Botschaft gegeben.

Wenn Jesus seine Botschaft »ad absurdum geführt« sah (H. Merklein), liegt das Moment der Kontinuität allein darin, dass Jesus trotz dieser Situation an seiner Überzeugung vom endzeitlichen Heilswillen Gottes für Israel festgehalten hat. Das ist genau der Gedanke, der sich in Mk 14,25 findet – und zwar ohne Sühneaussage.

Außerdem: Das Problem besteht nach der Position Merkleins für Jesus vor dem Forum der Öffentlichkeit. Die Rede von Sühne aber hat als Deutekategorie keine externe Überzeugungskraft.

  • Diese Schwierigkeit lässt sich nicht dadurch umgehen, dass man ausschließlich die Jünger als Adressaten der Aussage vom Sühnetod versteht. Zwar hätte für sie als Anhänger Jesu eine deutende Aussage ihres Meisters ein Gewicht, das man außerhalb der Jesusbewegung nicht voraussetzen kann. Darin liegt aber gerade ein Problem: Aufgrund ihrer Nähe zu Jesus hätten sie auch einer Versicherung über die weiterhin bestehende Gültigkeit seiner Botschaft trauen können – wie sie im »eschatologischen Ausblick« denn auch begegnet (Mk 14,25, siehe nächsten Abschnitt).

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Sühnetod-Deutung und Abendmahlstradition

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I. Keine ausdrückliche Verbindung von Sühne und Basileia

Die aufgeworfene Frage, wie sich eine Sühnetod-Deutung durch Jesus mit seiner Verkündigung verbinden lässt, wird auffälligerweise durch die Abendmahlstradition nicht beantwortet. Die Sühneaussage wird nicht in Beziehung gesetzt zur Botschaft von der Basileia. Sie begegnet im Zusammenhang des Bundes-Motivs, das ansonsten in der Jesus-Tradition begrifflich keine Rolle spielt.

Diese Singularität des Bundesmotivs lässt sich nicht mit der Ablehnung der Botschaft und der Situation der Todesgewissheit erklären. Wenn Jesus bis zum Abendmahl die Basileia ohne Bezug auf den neuen Bund verkündet hat, ist der knappe Bezug darauf in der Abendmahlstradition ein Problem.

  • Es wird nicht durch den Hinweis gelöst, dass ein Bundesschluss ein einmaliger Akt sei (so G. Theißen). Zu klären wäre, warum Jesus sich in der Situation des letzten Mahles zu einem solchen Bundesschluss herausgefordert sah, wenn die Verkündigung der Basileia ohne solchen Bezug auskam. Dies hängt nicht mit der Stiftung eines neuen Kultes zusammen (siehe dazu die Diskussion).
  • Außerdem wäre zu klären, warum sich das Motiv des neuen Bundes nicht durchgehalten hat: Die mk/mt Linie spricht vom Blut des Bundes, ohne den neuen Bund nach Jer 31 ausdrücklich ins Spiel zu bringen.

 

II. Todesdeutung ohne Sühne-Motiv: Mk 14,25

Umgekehrt finden wir den Zusammenhang von Tod Jesu und Basileia gerade in einem Logion, das keine Sühne-Aussage enthält: der so genannte eschatologische Ausblick in Mk 14,25.

Dieser Tatbestand ist kaum überzubewerten, denn auch dieser Ausblick enthält implizit eine Todesdeutung. Auch wenn man ihn als Todesprophetie versteht, ist er doch zugleich mehr als nur die Ankündigung des Todes. Die Spitze des Spruches liegt im zweiten Teil, der Teilhabe Jesu am endzeitlichen Festmahl des vollendeten Reiches Gottes. Dann geht es in dem Wort nicht nur darum, dass Jesus seinen Jüngern seine Todesgewissheit mitteilt; er versichert sie vielmehr angesichts seines nahen Todes des Kommens der Basileia. Wenn Jesus von seinem Trinken im Reich Gottes spricht, dann ist damit zugleich ganz grundsätzlich die Vollendung der Basileia im Blick.

► Gottesherrschaft und Tod Jesu werden in Mk 14,25 miteinander verbunden, aber ohne dass Jesu Sterben eine Funktion für das Kommen der Gottesherrschaft hätte.

Es gibt also keinen Spruch in der Jesusüberlieferung, der den Zusammenhang bezeugt, dass Jesus wegen der Ablehnung seiner Basileia-Botschaft zur Überzeugung gekommen sei, er müsse das sühnende Sterben auf sich nehmen. Mk 14,25 ist ein Beleg dafür, dass Jesus an seiner Botschaft festgehalten hat – auch angesichts des nahen Todes. Dass vom Kommen der Basileia nun anders, nämlich sühnetheologisch gesprochen werden müsse, ist ohne Textanhalt in der Jesustradition. So tritt die Todesdeutung des »eschatologischen Ausblicks« neben die des Becherwortes.

  • Dies bestätigt die literarkritische* Analyse, nach der das Becherwort ein sekundäres Element der Abendmahlstradition ist (siehe dazu hier).

 

III. Der Befund der Jesustradition

Ein kurzer Blick auf den Gesamtbefund der Jesustradition deutet ebenfalls in die Richtung des vorgestellten Ergebnisses. In diesem Rahmen zeigt sich nicht nur, dass das Thema des heilsvermittelnden Sterbens sehr schmal bezeugt ist (neben der Abendmahls­überlieferung nur Mk 10,45par).

Wichtiger noch ist folgende Beobachtung: Es gibt Deutungen des Todes Jesu, die ohne die Sühneaussage auskommen, vor allem die Leidensankündigungen sind hier zu nennen (Mk 8,31; 9,31; 10,32-34). Sie betonen das »muss« des Leidens, bieten aber nur insofern eine Deutung des Todes Jesu, als sie sagen: Dieser Tod stimmt auf verborgene Weise mit dem Willen Gottes überein (so auch die Sondertraditionen des LkEv: 13,32f; 24,7; 24,25-27; 24,44-47).

► Ein von Jesus herrührender Erstimpuls in der Rede vom Sühnetod hätte also in der Jesustradition keineswegs dominiert. Es gibt auch andere Deutungen des Todes Jesu – und zwar anerkannt nachösterliche.

Jesus müsste sehr undeutlich vom Heilssinn seines Todes gesprochen haben, so dass die Frage berechtigt ist, ob der entscheidende Impuls zu dieser Sinngebung seines Todes wirklich von ihm selbst kam.

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Warum kam es zur Sühne-Deutung?

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Wenn die Deutung des Todes Jesu als eines Sühnetodes nicht auf Jesus zurückgeht, ist ihre Entstehung aus den besonderen Bedingungen der Situation nach Karfreitag und Ostern zu erklären. In der Tat ergibt sich hier ein plausibles Szenario, das diese Deutung des Todes Jesu einsichtig machen kann.

 

I. Die Situation der Jünger nach dem Tod Jesu

Nach dem Karfreitag war der Jüngerkreis Jesu zunächst auseinandergefallen. Der Tod Jesu am Kreuz war für die Jünger das Ende der Hoffnungen, die sie in Jesus und seine Botschaft vom Reich Gottes gesetzt hatten. Sie flohen bei der Verhaftung Jesu und kehrten nach Galiläa zurück. Erst durch die Ostererfahrung kam es zur erneuten Sammlung als Jüngerkreis, weil das Kreuz nun nicht mehr als das letzte Wort über den Gekreuzigten erschien.

► Mit Ostern ging den Jüngern auf: Gegen allen Anschein war Jesus nicht gescheitert und von Gott verflucht; vielmehr hat sich Gott auf die Seite des Gekreuzigten gestellt, indem er ihn auferweckt, in gottgleiche Macht eingesetzt und zur entscheidenden Heilsgestalt bestimmt hat.

Von diesem Osterglauben her musste notwendig ein neues Licht auf das Kreuz fallen: Es konnte nun nicht mehr ein Ort der Gottesferne sein. Wenn Gott sich so auf die Seite Jesu stellt, wie es der Osterglaube bekennt, dann konnte er auch im Kreuz Jesu nicht abwesend gewesen sein. Das bedeutet: Kreuz und Tod Jesu müssen einen positiven Sinn haben, sowohl für das Verhältnis Jesu zu Gott, als auch für das Verhältnis Jesu zu den Menschen; denn um beide Verhältnisbestimmungen geht es auch im Osterglauben.

 

II. Die Stärke der Sühne-Kategorie

In dieser Situation lag das Verständnis des Todes Jesu als stellvertretender Sühne durchaus nahe. Es bot jedenfalls die Möglichkeit, Auferstehung und Kreuz eng miteinander zu verbinden: Ostern eröffnete die Einsicht in die Bedeutung Jesu für die Menschen, die von Gott bestimmt wurde (z.B. Apg 4,11f: In keinem anderen ist Heil zu finden); diese Bedeutung Jesu kann nun auch schon im Kreuz erkannt werden, wenn sein Tod als stellvertretende Sühne verstanden wird, als Tod, in dem die unheilvollen Folgen der Sünde aufgefangen wurden. Jesus kann dann als Heilsmittler schon in seinem Tod gesehen werden. Gott bietet den Tod des Schuldlosen als den Ort an, an dem das eigentlich verwirkte Leben der Sünder stellvertretend in den Tod gegeben wurde, ohne sie zu zerschlagen.

»Gott braucht diesen Tod nicht, Gott fordert ihn nicht und Gott lässt ihm nicht das letzte Wort. Jede uns zugute kommende heilvolle Bedeutung des Todes Jesu gründet im untrennbaren Zusammenhang von Kreuzestod und Auferweckung« (M. Frettlöh).

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Begräbnis

Dass Jesus begraben wurde, wird nicht nur durch Erzählungen bezeugt, sondern findet sich auch in der Formeltradition (1Kor 15,4). Historisch wird dies zuweilen in Zweifel gezogen, weil Gekreuzigten gewöhnlich das Begräbnis verweigert wurde. Man ließ ihre Leichen als letzte Erniedrigung am Kreuz hängen. Dies widerlegt aber die Traditionen vom Begräbnis Jesu nicht. Dafür sprechen folgende Überlegungen: 

  • Auch wenn die Nichtbestattung übliche Praxis war, so wurde sie nicht zwingend in allen Fällen geübt. In der Nähe Jerusalems wurden in einem Grab die Knochen eines Gekreuzigten gefunden – so jedenfalls die übliche Deutung.
  • Wegen der Nähe des Paschafestes konnte von jüdischer Seite das Interesse bestehen, die heilige Stadt nicht durch Totenunreinheit vor ihren Toren zu belasten. Das Motiv für die Tötung der Gekreuzigten in Joh 19,31 ist historisch grundsätzlich plausibel. Es bestärkt die Wahrscheinlichkeit eines Begräbnisses Jesu. 
  • Das Begräbnis Jesu ist mit einer ansonsten nicht bekannten Figur verbunden (Josef von Arimathäa). Im MkEv wird er nicht als Jünger Jesu bezeichnet, sondern sehr unbestimmt als einer, der das Reich Gottes erwartete. Möglicherweise standen hinter dem Begräbnis Vertreter des Hohen Rates, die sich um kultische Reinheit der Stadt sorgten (siehe vorigen Punkt) bzw. ein Vertreter, der sich hier besonders engagierte und deshalb in der Passionsgeschichte erwähnt wird. Dass »er das Reich Gottes erwartete« wäre dann der Versuch, ein Motiv für das Handeln anzugeben, das als Einsatz für Jesus verstanden werden kann und den Ratsherrn in die Nähe der Jesusbewegung stellt.

Zum Bekenntnis zur Auferweckung Jesu siehe hier

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