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Nachfolge und Jüngerschaft

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Von den Volksscharen bis zum Zwölferkreis

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Jesu Botschaft hat eine Wirkung bei seinen Anhängern entfaltet, ansonsten wäre er nach seinem Tod in Vergessenheit geraten. Die Evangelien vermitteln darüber hinaus den Zusammenhang der Lehre Jesu mit der Berufung von Jüngern. Die Anhänger Jesu kann man in folgende Gruppen aufteilen:

I. Die Volksscharen

Die Darstellung, dass das Wirken Jesu im Volk Zustimmung gefunden hat, verdankt sich nicht allein dem christologischen Gestaltungswillen der Evangelisten. Dafür sprechen folgende Gründe:

  • Das Bild des Zuspruchs im Volk ist in mehreren voneinander unabhängigen Quellen bezeugt, und zwar auch in solchen, in denen man es nicht unbedingt erwarten muss (Q [Lk 7,24; 11,14]; Josephus).
  • Das gewaltsame Todesgeschick Jesu weist auf eine nennenswerte Anhängerschaft, so dass Jesus (auch) als Gefahr für die öffentliche Ordnung gesehen werden konnte (ähnlich: Johannes der Täufer).

Das Ausmaß des Zuspruchs lässt sich nicht mengenmäßig erfassen; im Grad der Intensität ist er von der Jüngerschaft abzugrenzen. Eine »galiläische Krise«, nach der die Jesusbewegung nach anfänglichem Zuspruch einen Rückschlag erlitten habe, lässt sich nicht nachweisen.

 

II. Die Jünger

Die Historizität des Jüngerkreises ergibt sich aus dem Kriterium der mehrfachen Bezeugung (Mk, Q, Sondergut, Josephus) wie auch aus dem Differenzkriterium: aus den urchristlichen Traditionen ist die Darstellung der Evangelien nicht abzuleiten. Der Begriff »Jünger« ist nur in den Evangelien und der Apg bezeugt. Er diente in der Urkirche also nicht als Bezeichnung für die Glaubenden, die dann in das Wirken Jesu zurückgeblendet worden wäre.

Zwei Kennzeichen grenzen den Jüngerkreis ab:

  • Berufung durch Jesus, wenigstens in der Form, dass die Entscheidung zur Nachfolge von Jesus bestätigt wird.
  • Teilhabe an der Wanderexistenz Jesu: Ruf in die wörtlich verstandene Nachfolge, die Jünger gehen hinter Jesus her (s.a. Lk 9,57 sowie das Bild der Evangelien insgesamt).

Das maskuline Wort »Jünger« (gr. μαθητής/mathetes) wird in den Evangelien nicht ausdrücklich für Frauen verwendet. Es ist aber davon die Rede, dass Frauen Jesus nachfolgten oder sie ihm mit ihrem Vermögen dienten (Mk 15,40f; Lk 8,1-3). Da mit »nachfolgen« das Spezifische der Jüngerschaft aufgenommen ist, muss es sich hier um Frauen aus dem engeren Kreis um Jesus handeln.

Die Grenzen des Jüngerkreises sind insofern nicht eindeutig zu ziehen, als auch mit Anhängern Jesu gerechnet werden muss, die zwischen Jüngern und Volksscharen stehen. Ortsfeste Sympathisanten ziehen nicht mit Jesus umher, sind der Bewegung aber doch näher verbunden als das Interesse bekundende »Volk« (Maria und Martha: Lk 10,38-42; s.a. Mk 14,13-15; Aufnahme von ausgesandten Jüngern in Häusern).

 

III. Der Zwölferkreis

Für die Geschichtlichkeit des Zwölferkreises sprechen folgende Überlegungen:

  • Das Kriterium der mehrfachen Bezeugung*: Selbst das JohEv, das kein besonderes Interesse an dieser Gruppe hat, übergeht sie nicht (unsicher: Logienquelle, s. Mt 19,28 par Lk 22,30).
  • Differenzkriterium* im Blick auf die Gestalt des Judas: Die Evangelien zeigen die Schwierigkeit, die das Faktum bereitete, dass Jesus aus der engsten Anhängergruppe heraus an den Hohen Rat überliefert wurde.
  • Differenzkriterium im Blick auf die urkirchliche Entwicklung: Nach Ostern verschwindet der Zwölferkreis aus dem Blickfeld der urchristlichen Überlieferung. Nachösterliche Interessen können also nur schwer begründen, dass man diesen Kreis so grundlegend ins Wirken Jesu rückprojizierte, dass noch am Ende des 1. Jh. (oder noch später) kein Evangelium an den Zwölfen vorbeikommt.
  • Kohärenzkriterium*: Die Bildung dieses Kreises lässt sich ausgezeichnet ins Wirken Jesu zurückführen (siehe unten).

1Kor 15,3b-5 (Erscheinung vor den Zwölfen, obwohl nach dem Verrat des Judas nur elf Jünger in Frage kommen) ist kein Gegenargument. In einer Glaubensformel muss kein Wert auf numerische Exaktheit gelegt worden sein. Der engste Kreis um Jesus wird mit der ursprünglichen Zahl bezeichnet, die auch für dessen symbolischen Wert entscheidend ist.

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Der Sinn der Jüngerberufung

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I. Das Ja zur Gottesverkündigung Jesu

Die Jünger haben die Botschaft Jesu so angenommen, dass sie daraufhin ihr bisheriges Leben verlassen haben, um die Wanderexistenz mit Jesus zu teilen. Sie dokumentieren also ihre Entscheidung für den von Jesus verkündeten Gott durch ein Leben, das ganz auf die Vollendung der Gottesherrschaft ausgerichtet ist (Lorenz Oberlinner).

 

II. Ausweitung des Wirkens Jesu

Für die Historizität der Jüngeraussendung spricht die mehrfache Bezeugung* (Mk, Q) sowie das Kohärenzkriterium*: Die Inhalte der Aussendungsrede passen prinzipiell ins Wirken Jesu (bedürfnislose Lebensweise; Grundzüge des Wirkens Jesu werden ausgeweitet), auch der Sinn des Zwölferkreises (siehe unter III.) würde zu missionarischer Tätigkeit passen. Ob Jesus nur die Zwölf oder auch einen weiteren Kreis von Jüngern ausgesandt hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

 

Inhaltliche Kennzeichen der Aussendungsrede(n):

  • Teilhabe am Wirken Jesu: Die Jünger tragen die Botschaft Jesu in Wort und Tat weiter (unreine Geister austreiben, heilen, Umkehr/Basileia verkünden; vgl. Mk 6,7.12f; QLk 10,9).
  • Anweisungen zur Ausrüstung der Boten: Sie sollen auf jede Vorsorge verzichten und darauf vertrauen, dass ihnen das Notwendige auf ihrem Weg zukommt. So setzen sie die Weisung Mt 6,25-34par um (Warnung vor dem Sorgen).
  • Zum Verhalten in Häusern und Ortschaften ist wohl vor allem die Aussage über das Essen der vorgesetzten Speisen (Q 10,7) in die Situation Jesu zurückzuführen: Die Jünger sollen essen, ohne auf Fragen der Reinheit der Speisen zu achten. Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergäbe aber im Rahmen des Wirkens Jesu einen guten Sinn, zumal die Jünger durch den verordneten Verzicht auf Vorräte angewiesen sind auf solche Unterstützung.
  • Schwierig zu beurteilen sind die Aussagen über das Gericht an den Ortschaften, die Jesu Boten ablehnen (Mk 6,11; noch schärfer Q 10,10-12). Sie könnten auch in die nachösterliche Mission gehören.

 

III. Der Symbolcharakter des Zwölferkreises

Die Zahl zwölf ist in der atl-jüdischen Tradition besonders geprägt durch die zwölf Stämme. Ihr Bestehen war aber zur Zeit Jesu längst ferne Vergangenheit, denn mit dem Untergang des Nordreiches im 8. Jh. v.Chr. waren 10 der 12 Stämme aus dem Volk Israel verschwunden.

Die 12 Stämme waren allerdings nicht nur eine Größe der idealen Vergangenheit, sondern Gegenstand der Zukunftshoffnung Israels. Sie gehören in den Zusammenhang der Erwartung, dass Israel in der Endzeit wieder gesammelt werde. Dabei kann davon die Rede sein, dass alle Stämme Israels wieder aufgerichtet werden (Jer 31,1; Sir 48,10; PsSal 17[,44]; 1QM 2,1-13; 3,13f). Diese Hoffnung ist zur Zeit Jesu in der jüdischen Tradition fest verwurzelt.

Die Verbindung zur Verkündigung Jesu lässt sich klar herstellen. Jesus unternimmt ja eine Sammlungsbewegung in Israel. Er wendet sich besonders denen zu, die am Rand stehen, denen von anderen die volle Zugehörigkeit zum Volk bestritten wird. Er will Grenzen überwinden, die mitten durch das Volk Israel gehen. Im Rahmen der endzeitlichen Sammlungsbewegung Jesu hat auch der Zwölferkreis seinen Ort. Er symbolisiert diese Sammlung, »repräsentiert bereits das wiederhergestellte Zwölfstämmevolk« (Gerd Theißen/ Annette Merz).

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Ein Jüngergleichnis – Mt 13,44-46

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Zu Grundsätzen der Gleichnisauslegung siehe hier.

44 Das Himmelreich ist gleich einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg. Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker.
45 Wiederum ist das Himmelreich gleich einem Kaufmann, der schöne Perlen sucht. 46 Als er aber eine sehr kostbare Perle fand, ging er weg und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

I. Zur Analyse

Die beiden Texte (V. 44.45f) sind inhaltlich (trotz mancher Unterschiede) so stark miteinander verwandt, dass man sie als Doppelgleichnis verstehen muss. In beiden Fällen geht es um einen Fund, der dazu führt, dass der Finder seinen ganzen Besitz verkauft, um jenen Fund zu erwerben. Die beiden Gleichnisse dürften ursprünglich zusammengehört haben.

Die Gattung des Doppelgleichnisses ist als Parabel zu bestimmen. Zwar hält sich die dramatische Gestaltung sehr in Grenzen, wir treffen auf eine äußerst knapp erzählte Geschichte (keine Monologe oder Dialoge, keine Nebenfiguren, keine erzählerische Spannung). Doch handelt der Text jeweils von einem besonderen Fall, einer nichtalltäglichen Begebenheit. Es wird auch nicht so argumentiert, dass in vergleichbarer Situation jeder so handeln würde wie die beiden Hauptfiguren. Dies ist vom gewählten Stoff her gar nicht möglich, denn es böten sich durchaus andere Möglichkeiten, auf den Fund zu reagieren.

 

II. Bildebene

Ohne eine erzählerische Spannung aufzubauen, nennt das Gleichnis vom Schatz im Acker gleich den Tatbestand, der für die Geschichte entscheidend ist: Es geht um einen verborgenen Schatz, den »ein Mensch fand«. Das weitere Geschehen wird in Gang gesetzt durch das Finden. Dies ist auch beim Gleichnis von der kostbaren Perle so (V. 46).

Dass im Gleichnis vom Schatz im Acker der Fund wieder verborgen wird, hängt zusammen mit dem gewählten Stoff. In diesem Fall kann der Fund nicht einfach durch Kauf angeeignet werden wie bei der kostbaren Perle. Insofern entsprechen sich beide Gleichnisse: Auf den Fund folgt eine Handlung, die ganz darauf gerichtet ist, den Fund zu erwerben. So Kostbares haben die Finder entdeckt, dass sie daraufhin ihre ganze Habe einsetzen, um sich ihre Entdeckung anzueignen. In diesem Punkt sind beide Gleichnisse auch ganz parallel gebaut: Der Finder geht hin, verkauft alles, was er hat und kauft den Acker/die Perle (im Motiv der Freude zeigt sich diese Parallelität nicht). Als Pointe ergibt sich:

►Erzählt wird die Geschichte eines Fundes, der so kostbar ist, dass die Finder daraufhin ihren ganzen Besitz verkaufen, um den Fund zu erwerben.

 

III. Sachebene

Als Gleichnis von der Gottesherrschaft zeigt die Geschichte zum einen den ungeheuren Wert, den der Mensch findet, wenn er auf die Gottesherrschaft trifft. Diesem Gedanken entspricht das erzählerische Moment im Gleichnis, dass der kostbare Fund das weitere Handeln in Gang setzt. Allerdings kommt es auch auf dieses Handeln an. Das Gleichnis zeigt also zum andern: Wer auf die Gottesherrschaft in der Verkündigung Jesu trifft, setzt dafür alles ein. Nicht im Sinne eines Opfers, sondern aus dem Wissen darum, dass man Kostbareres erhält als man einsetzt.

Nicht einfach zu beantworten ist die Frage, wie der »Einsatz von allem« in der Erzählung auf der Sachebene zu fassen ist. Geht es um die Aufgabe des Besitzes? Für Jünger Jesu konnte sich dies durchaus als Konsequenz ergeben (s. Mk 10,17-22.29-31), jedoch bleibt der Text in dieser Frage offen.

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