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Begriffliches

Der Begriff »Evangelium«

Der Begriff »Evangelium« ist aus dem Griechischen abgeleitet. Mit εὐαγγέλιον/euangelion bezeichnete man ursprünglich den Botenlohn für die Überbringung einer Botschaft, meist eine Siegesnachricht vom Schlachtfeld. In römischer Zeit findet sich allerdings eine bedeutende Weiterentwicklung der Begrifflichkeit. Bald ist es nicht mehr der Botenlohn, der im Zentrum der Aussage steht, sondern die Botschaft selbst, die zur frohen Botschaft bzw. Siegesbotschaft wird. Als Evangelium schließlich wird auch die Geburt des Thronfolgers angekündigt, und insbesondere im Augustus-Kult wird diese Ankündigung zum Ausgangspunkt einer neuen Heilszeit gewählt, da die Herrschaft des Augustus von den römischen Bürgern als große Heilszeit bzw. Friedenszeit definiert wurde.

Die Verwendungsweisen der LXX können in einer Linie mit dem griechischen Gebrauch gelesen werden. Auch hier steht die Botschaft eines Sieges im Mittelpunkt. In Jes 52,7; 60,6; 61,1 wird sodann durch das Verb εὐαγγελίζεσθαι/ euangelizesthai die anbrechende Endzeit angekündigt.

Für das frühe Christentum scheint dieser Begriff eine wichtige Rolle zu spielen. Zunächst taucht er als terminus technicus im Rahmen der Missionssprache auf und wird bald zur Bezeichnung einer eigenen literarischen Gattung verwendet.

Umstritten ist, ob und in welchem Ausmaß die Begriffswahl eine ausdrückliche Konkurrenz zur Verwendung im römischen Kaiserkult anzeigt. Manche Forscher sehen dies als ein starkes Motiv: Nicht das Heilsversprechen und die Siege der römischen Imperatoren bringen den Frieden, sondern Jesus Christus. So wird etwa die Geburtsgeschichte bei Lukas als bewusster Gegensatz zum Augustus-Kult interpretiert. Andere verweisen auf das im Großen und Ganzen entspannte Verhältnis der ersten christlichen Generation zur römischen Obrigkeit (etwa Röm 13,1-7); dies mache einen fundamentalen Gegensatz der Evangeliumsverkündigung zu Ansprüchen des römischen Staates unwahrscheinlich.

In den Paulusbriefen zeigt sich eine eindeutige inhaltliche Füllung des Begriffs: Evangelium ist die Botschaft von Tod und Auferweckung Christi (1Kor 15,1-5).

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»Evangelium« als literarische Gattung

Das Markusevangelium beginnt mit den Worten »Anfang des Evangeliums Jesu Christi« (1,1).  Nachfolgend wird das öffentliche Wirken Jesu erzählt bis hin zu Tod und Auferweckungsverkündigung. Markus hat also den Begriff »Evangelium« im Vergleich zur paulinischen Verwendung (s.o.) erweitert: auch das Wirken Jesu in Wort und Tat gehört dazu.

Ob Markus sein Werk als »Evangelium« bezeichnen oder nur dessen Inhalt als Frohbotschaft markieren wollte, ist umstritten. In jedem Fall ist in der christlichen Literatur diese Gattungsbezeichnung bald üblich geworden, außerhalb des Christentums ist sie jedoch gänzlich unbekannt. Erscheint die Gattung Evangelium zunächst als Gattung sui generis, so finden sich doch  Bezugspunkte innerhalb der antiken Literatur:

  • Alttestamentliche Vorgaben zeigen sich insbesondere in den Idealbiographien von Königen und Propheten.
  • Aus der hellenistischen Kultur ist der sog. Bios bekannt. Darunter fallen Philosophenviten sowie Idealbiographien von Königen und Herrschern.

Die hellenistischen Biographien folgen keinem festen Strukturmuster, sondern sind in ihrem Aufbau offen. Vorgaben liefert allerdings die Tradierung des Stoffes, die dem Evangelisten vorliegt: die Passionserzählung, Wunderberichte, Streitgespräche, etc. werden von Markus in ein literarisches Ganzes gefasst.

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