Inhaltsverzeichnis
Literatur
H.-J. Klauck, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Paderborn 1998.
Gestaltungsmerkmale antiker Briefe
Aus der Antike ist eine Fülle von Briefen überliefert, zufällig erhaltene Schreiben ebenso wie solche Briefe, die von Anfang an für die Veröffentlichung gedacht waren. Aus dem erhaltenen Material lassen sich bestimmte Gestaltungsmerkmale erheben, Formgesetze, die man bei der Abfassung von Briefen beachtete – wie man es auch heute noch tut. Dabei kann man zumindest bei der Brieferöffnung unterscheiden zwischen dem griechischen und dem orientalischen Formular.
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I. Briefanfang
Der Beginn eines Briefes besteht aus zwei Abschnitten, dem Präskript und dem Proömium.
Präskript
Es besteht in der griechischen Form aus folgenden drei Elementen:
- Angabe des Absenders (superscriptio)
- Angabe des Adressaten (adscriptio)
- Gruß (salutatio, als Infinitiv: χαίρειν, wörtlich: zu grüßen)
Diese drei Elemente werden in einen Satz zusammengefasst.
Das orientalische Präskript, vor allem belegt durch hebräische und aramäische Briefe, ist gewöhnlich zweigeteilt:
- Angabe des Adressaten (an B) oder des Absenders und Adressaten (von A an B)
- Friedenswunsch (setzt syntaktisch neu ein).
Proömium
Noch vor dem Briefkorpus, der die eigentliche Aussage des Briefes enthält, finden sich häufig stereotype Übergangswendungen, etwa ein Wohlergehenswunsch, der Dank an die Götter oder eine Versicherung des Gedenkens.
II. Briefkorpus
Es ist nicht so formalisiert wie Briefanfang und -schluss; es gibt aber brieftypische Wendungen, z.B.
- aphorme-Formel (Gelegenheit zur Übersendung des Briefes als Grund für seine Abfassung)
- Disclosure-Formel (»Ich möchte, dass du weißt …« o.ä.)
- Anwesenheits-Topos (durch den Brief ist man beim fernen Adressaten anwesend)
- stereotype Formulierungen (z.B. »wenn es dir gut scheint«, »du wirst gut daran tun«, »vor allem aber«)
III. Briefschluss
Wie die Brieferöffnung lässt sich auch der Schluss in zwei Teile gliedern: einmal der Epilog, das Gegenstück zum Proömium, dann das Postskript, das dem Präskript entspricht.
Epilog
Im Epilog geht es um den Übergang vom Hauptteil des Briefes in den Schluss. Dies kann geschehen durch Schlussmahnungen, häufig auch durch die Äußerung des Besuchswunsches.
Postskript
Das Postskript ist nicht gleichzusetzen mit dem heutigen »P.S.«, das ja eine nachträgliche Mitteilung nach Abschluss des Briefes ist; das hier gemeinte Postskript ist dagegen der eigentliche Briefabschluss. Es wird neben dem Wohlergehenswunsch vor allem durch Schlussgrüße gebilde, in drei Formen:
- Der Schreiber selbst grüßt den Adressaten (1.Person: »Ich grüße dich«).
- Der Schreiber trägt dem Adressaten auf, Grüße auszurichten (2. Person: »Grüße du …«).
- Der Schreiber übermittelt Grüße Dritter an den Adressaten (3. Person: »Es grüßt dich …«).
Eine Datumsangabe kann den Brief beschließen, sie fehlt aber oft, gerade in den Privatbriefen. Eine Unterschrift war nicht üblich.
Zur Klassifikation antiker Briefe
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I. Nichtliterarische Briefe
Diese Gruppe umfasst Briefe, die »reine Gebrauchsliteratur« sind, »ohne Seitenblicke auf die breitere Öffentlichkeit oder die Nachwelt abgefasst, deswegen auch meist auf Papyrus im Original und nicht etwa in Abschrift erhalten« (H.-J. Klauck). Man kann diese Gruppe weiter untergliedern, etwa durch die Unterscheidung in amtliche, Privat- und Geschäftsbriefe.
Es sind auch antike Zeugnisse überliefert, die zwischen verschiedenen Brieftypen unterscheiden und auch Beispielbriefe für den jeweiligen Typ bieten: sogenannte »Briefsteller« wie der des Pseudo-Demetrius. In ihm werden 21 Brieftypen unterschieden, die sich freilich nicht immer leicht voneinander abgrenzen lassen. Beispiele: Freundschaftsbrief, Empfehlungsbrief, Trostbrief, Scheltbrief, Drohbrief, beratender Brief, Bittbrief u.a.m.
II. Diplomatische Schreiben
Diplomatische Schreiben liegen dann vor, wenn für ihre Publikation und damit auch ihre Bewahrung gesorgt wurde – sei es durch Inschriften oder durch Zitate bei Historikern. Auch in diesem zweiten Fall müssen Abschriften der Briefe erstellt worden sein, auf die man später zurückgreifen konnte.
III. Literarische Briefe
Sie sind von vornherein auf Veröffentlichung angelegt: Briefsammlungen, die vom Autor selbst oder posthum herausgegeben wurden, auch als poetische Briefe, philosophische Lehrschriften in Briefform, Briefeinlagen in antiken Romanen, Briefromane oder Widmungsbriefe.