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Die Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte als zweiter Teil des lukanischen Doppelwerkes

Der Verfasser des Lukas-Evangeliums schreibt einen zweiten Teil zu seinem Werk. Dort erzählt er von der Ausbreitung des Christus-Glaubens von Jerusalem bis nach Rom. Kenntlich gemacht ist die Zweiteiligkeit dieser beiden Werke durch ein korrespondierendes Vorwort (Lk 1,1-4 und Apg 1,1-2), das beide Schreiben an einen gewissen Theophilus richtet.

In den letzten Jahren mehren sich Stimmen, die an der Zusammengehörigkeit beider Schriften zweifeln und die Verbindung durch die beiden Vorworte für eine Fiktion halten. Die Diskussion wird z.B. zu sprachlichen Eigenheiten geführt, die die Apg vom LkEv unterschieden. Mehrheitlich wird aber nach wie vor davon ausgegangen, dass LkEv und Apg als »lukanisches Doppelwerk« zusammengehören. Für diese Einschätzung spricht nicht zuletzt die theologische Einheitlichkeit, die beide Schriften miteinander verbindet.

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Zeit und Ort der Abfassung

Das Lk-Evangelium wird meist um 90 n.Chr. angesetzt. Setzt man voraus, dass der Verfasser chronologisch vorgeht, so ist die Apostelgeschichte nach Beendigung des Evangeliums entstanden, wobei der zeitliche Abstand sicher nicht allzu groß anzusetzen ist.

Auch zum Abfassungsort gilt, was für das Lukas-Evangelium festzuhalten ist: Der Ort lässt sich, obwohl vielfach versucht, kaum näher bestimmen. Die einzig mögliche sichere Aussage ist die, dass das LkEv außerhalb Palästinas im hellenistischen Christentum entstanden sein muss. Als konkreter Ort käme am ehesten Ephesus in Frage, doch letztlich muss eine eindeutige Zuschreibung offen bleiben.

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Quellen

Da das LkEv nachweislich durch Quellenbenutzung entstanden ist, kann man ein ähnliches Verfahren auch für die Apg erwarten. Das Vorwort in Lk 1,1-4, auf beide Werke bezogen, bestätigt diese Vermutung ebenso wie die Existenz paralleler Überlieferungen in einigen Fällen.

Für die Stoffe von Kap. 1-12 wird die Existenz von zusammenhängenden Quellensammlungen meist abgelehnt. Zu dem Material, das Lk in Apg 13-28 verarbeitet hat, werden vor allem vier Fragen diskutiert:

► Wie sind die Wir-Passagen (Apg 16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-28,16) quellenkritisch zu beurteilen?

  • Geben diese Passagen den Teil der Paulusreisen wieder, an denen der Verfasser der Apg teilgenommen hat?
    Aber: Auch wenn man die Augenzeugenschaft auf jene Ausschnitte begrenzt, bleibt die Annahme schwierig, dass die Apg einen Augenzeugen des Wirkens des Paulus zum Verfasser hat. Außerdem hätte der Autor seine Augenzeugenschaft sehr unbetont eingebracht.
  • Übernimmt Lk die Formulierung einer vorgegebenen Quelle oder bringt er selbst die Wir-Form ein?
    Das erste lässt sich zwar nicht ausschließen, wahrscheinlicher aber ist die redaktionelle Lösung. Er bringt so Reise-Erfahrung ins Spiel und hat die Wir-Form wohl in der Seefahrts-Erzählung vorgefunden, die er in Kap. 27f verarbeitet hat.

► Hat Lk ein Itinerar (Verzeichnis mit Reisestationen) benutzt? Für eine bejahende Antwort sprechen zwei Beobachtungen:

  • Die Gestalt der Kap. 16-21 erklärt sich am besten, wenn Lk in ein vorgegebenes Gerüst Einzeltraditionen und redaktionelle Abschnitte eingefügt hat.
  • Da Lk die Paulusbriefe nicht erkennbar benutzt hat, ist die Übereinstimmung der Reisestationen durch Quellenbenutzung zu erklären.

    Dass es keine antiken Gattungsparallelen zu einem solchen Itinerar gibt, ist zwar ein bedenkenswerter Einwand, entkräftet die vorgetragenen Argumente aber nicht.

► Hatte Lk für die Erzählung von Inhaftierung und Prozess gegen Paulus eine zusammenhängende Quelle?

  • Positive Hinweise dafür sind eher dürftig. Jacob Jervell führt die Beobachtung an, dass der Bericht zusammenhängend und ungewöhnlich breit sei. Dies lässt sich auch der schriftstellerischen Leistung des Lk zuschreiben. Der Verfasser hatte wohl nur einzelne Nachrichten zur Verfügung und hat diese selbst in einen Erzählzusammenhang gebracht.

► Gab es für die Reden in der Apg Vorgaben oder sind sie als Schöpfung des Autors zu werten? Die zweite Annahme ist eindeutig besser zu begründen:

  • Ausgestaltete Reden sind nicht überlieferbar.
  • Die Reden enthalten vor allem lk Theologie und zeigen kein Profil des jeweiligen Redners.
  • Dass der Autor selbst die Reden der auftretenden Personen gestaltet, entspricht den Gattungsgepflogenheiten.
  • Die Verteilung der Reden in der Apg erweist sie in kompositioneller Hinsicht als Werk des Autors.
 
 

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Gattung

Da der Verfasser viele Nachahmer gefunden hat, wurde der Text wohl im 2. Jahrhundert mit dem Titel praxeis apostolon, »Taten der Apostel«, überschrieben. Dieser Begriff hat Vorbilder in der hellenistischen Literatur. Allerdings hat die Forschung zurecht darauf hingewiesen, dass mit dieser Zuordnung noch nichts über die Gattung des Werkes gesagt ist. Sie entspricht nicht dem tatsächlichen Inhalt.

Unter den formgebenden Elementen ist vor allem der dramatische Episodenstil hervorzuheben, der einer bestimmten Art der antiken Historiographie zugehört: der tragisch-pathetischen Geschichtsschreibung. Wegen ihres thematisch beschränkten Gegenstandes wird die Apg zumeist als historische Monographie bezeichnet.

Trotz solcher Gattungszuordnung behält die Apg auch ihre literarischen Eigenheiten. Konsequenter als antike Historiker hat Lukas seine Darstellung vom Gegenwartsbezug bestimmen lassen. Außerdem zeigt sich in der neueren Forschung ein Trend, demzufolge die Gattungsgrenzen in der Antike nicht scharf gezogen werden können.

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Zum Geschichtswert der Apostelgeschichte

Die Apg selbst gibt bisweilen durch Widersprüche Anlass, an ihrer historischen Zuverlässigkeit zu zweifeln. In den Passagen, die mit anderen Quellen vergleichbar sind, wird die Darstellung der Apg zum Teil bestätigt, zum Teil ergeben sich Widersprüche.

Gut informiert scheint Lukas über die politischen und rechtlichen Zusammenhänge beim Prozess gegen Paulus; ebenso über die verschiedenen Titel städtischer und kaiserlicher Beamter (s.a. die Erwähnung Gallios in Apg 18,2).

Falsch ordnet Lukas das Auftreten des Theudas ein (Apg 5,36f); die italische Kohorte dürfte erst zur Zeit des Lukas in Syrien stationiert und für Caesarea abrufbar gewesen sein (s. Apg 10,1).

Zum Wirken des Paulus ergeben sich Widersprüche, aber auch Übereinstimmungen (vgl. 2Kor 11,32/Apg 9,24f; Streitpunkt des Apostelkonzils und grundsätzliche Lösung; Route der 2. Missionsreise; Namen von Paulusbegleitern).

Eine Reihe von Angaben aus der Paulus-Vita, die als historisch angenommen werden können, sind nur durch die Apg bezeugt (z.B. Herkunft aus Tarsus; Saulus-Paulus).

Fazit: In der Frage der historischen Zuverlässigkeit verdient die Apg weder blindes Zutrauen noch grundsätzliche Skepsis.

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