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Strukturanalyse

  1. Aufgabe
  2. Methode
  3. Relevanz
  4. Übungsaufgaben

I. Aufgabe

Eine Strukturanalyse ist mehr als die Gliederung des Textes – es geht darum, „herauszufinden, wie etwas erzählt wird, dass es so spannend, verwirrend etc. ist, wie etwas poetisch gestaltet ist, dass es ’schön‘ ist, oder was bewirkt, dass ein Text beeindruckt, schwer oder leicht verständlich ist etc.“ (Hieke /Schöning 2017, 47). Im Vordergrund steht dabei nicht der sog. Inhalt des Textes, sondern seine Strukturen, seine Komposition. Gleichzeitig steht die Strukturanalyse in engem Bezug zu anderen Methodenschritten, v.a. zur sprachlichen und narratologischen Analyse.

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II. Methode

1. Gliederungsschema und Strukturbeschreibung

Eine Strukturanalyse kann bei den eigenen ersten Textbeobachtungen ansetzen. Damit der Methodenschritt aber intersubjektiv nachvollziehbar ist, müssen Strukturbeobachtungen ausreichend am Text begründet werden. Hierfür gibt es eine ganze Reihe an Kriterien, die man nach und nach abarbeiten kann:

  • Gibt es einen Wechsel im Figureninventar, treten also neue Figuren auf oder ist von den bisherigen Figuren nicht mehr die Rede? Handeln bestimmte Figuren plötzlich aktiv oder treten passiv in den Hintergrund? Wie verhalten sich die Figuren zueinander? Dieser Punkt wird häufig auch zur narratologischen Analyse gezählt.
  • Ändert sich der Ort bzw. Raum des erzählten Geschehens? Ist der Ort plötzlich sehr genau definiert oder lässt er sich kaum mehr fassen?
  • Gibt es einen Wechsel bei der Zeit des erzählten Geschehens, zum Beispiel durch Zeitsprünge?
  • Gibt es Wechsel zwischen wörtlicher Rede und Erzählpassagen? Gibt es bei wörtlicher Rede Sprecherwechsel und/oder Adressatenwechsel?
  • Finden sich Wiederholungen im Text? Werden z. B. bestimmte Formeln oder Wendungen mehrmals wiederholt?
  • Gibt es Rahmungen um den Text oder um bestimmte Textteile?
  • Werden im Text Bezüge zwischen verschiedenen Textteilen hergestellt, z. B. durch Pronomen oder Adverbien, die jeweils schon früher genanntes wieder aufnehmen?
  • Ergebnisse der sprachlichen Analyse:
    • Gibt es Veränderungen im Satzbau und/oder bei den grammatischen Strukturen?
    • Treten neue Wortfelder auf bzw. lassen sich Wortfelder auf bestimmte Teile des Textes begrenzen? Gibt es semantische Oppositionen?
    • Gibt es strukturbildende Stilmittel wie z. B. Parallelismen?
  • Ergebnisse der narratologischen Analyse:
    • Gibt es Änderungen im Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit?
    • Verändert sich die Fokalisierung und/oder die Erzählperspektive?

Anhand solcher Kriterien lassen sich nachvollziehbare und vom konkreten Inhalt abstrahierende Argumente für die Veranschlagung von Abschnitten auf die Textoberfläche formulieren. Diese Abschnitte sind in einem nächsten Schritt in eine hierarchische Ordnung mit Ober- und Unterabschnitten zu bringen. Durch die Formulierung von Überschriften für die einzelnen Abschnitte entsteht so ein Gliederungsschema. Auch die Überschriften sollten sich möglichst wenig am Inhalt des Textes orientieren, sondern vielmehr die Funktionen der einzelnen Abschnitte zueinander (z. B. Ursache-Wirkung, Frage-Antwort, Anweisung-Ausführung) abbilden.

Ein häufig vernachlässigter Schritt bei der Strukturanalyse ist die anschließende Beschreibung der Strukturen des Textes, wie sie im Strukturschema dargestellt und durch die obigen Kriterien begründet ist: Wie verhalten sich die einzelnen Abschnitte zueinender? Wo setzt der Text einen Fokus oder Höhepunkt? Welche Strategien zur LeserInnenlenkung werden sichtbar? Die Strukturbeschreibung ist also bereits ein erster Teil der Auslegung des Textes.

  • Achtung: Wichtig dabei ist, dass es nicht um eine Nacherzählung oder Inhaltsangabe des Textes geht. Dieser Stolperstein kann umgangen werden, indem man sich immer wieder auf die Beachtung der obigen Kriterien fokussiert.

2. Abgrenzung der Texteinheit

Anhand der Kriterien lässt sich außerdem begründen, wo genau Beginn und Ende eines Textes bzw. einer Perikope zu veranschlagen sind. Dies wird häufig als „Abgrenzung der Texteinheit“ bezeichnet und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Urtexte weder die Zwischenüberschriften in unseren modernen Bibelausgaben noch Kapitel- und Verseinteilungen kannten. Eine Texteinheit kann also durchaus über ein Kapitel hinausreichen!

3. Präsentation in Äußerungseinheiten / Segmentierung

Zur Vorbereitung einer Strukturanalyse wird häufig eine „Segmentierung des Textes“ bzw. eine „Präsentation in Äußerungseinheiten“ vorgenommen. Dies dient dazu, den Text für alle folgenden Analysen übersichtlicher zu gestalten und ein Handwerkzeug für eine präzise Zitation von Stellenangaben zu haben. Dabei werden die einzelnen Verse eines Textes auf Satzebene (Haupt- und Nebensätze; auch elliptische Sätze) unterteilt und mit Kleinbuchstaben versehen.

4. Kontexteinordnung der Texteinheit

Häufig wird auch die „Kontexteinordnung der Texteinheit“ als Gegenstück zur „Abgrenzung der Texteinheit“ zur Strukturanalyse gerechnet. Hier geht es darum, die abgegrenzte Texteinheit wieder in ihren literarischen Kontext rückzubinden, um die Interpretation letzten Endes nicht steinbruchartig, sondern mit Bezug zum literarischen Kontext des Textes vorzunehmen. In welchem literarischen Kontext steht also die Texteinheit? Wie beeinflussen sich Texteinheit und Kontext gegenseitig? Welche Funktionen nimmt die Texteinheit im Kontext ein? Der Kontext reicht dabei von den die Texteinheit direkt umgebenen Versen und Kapiteln bis zum gesamten biblischen Buch.

5. Seminararbeit

In einer Seminararbeit werden die hier genannten Teilschritte der Strukturanalyse meistens in folgender Reihenfolge dargestellt:

  • Segmentierung
  • Kontexteinordnung
  • Abgrenzung
  • Begründung der Gliederung
  • Gliederungsschema
  • Beschreibung der Gliederung

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III. Relevanz

Eine Strukturanalyse ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Exegese eines Textes. Hier werden beispielsweise Höhepunkt einer Erzählung oder Argumentationsstruktur einer Rede sichtbar.

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IV. Übungsaufgaben

© Übungsaufgaben: Antoine Leyder

© Übungsaufgaben: Milena Zimmermann

© Übungsaufgaben: Milena Zimmermann – Inhalte: Hartenstein, Friedhelm, Die Verborgenheit des rettenden Gottes. Exegetische und theologische Bemerkungen zu Genesis 22, in: Steiger, Johann A. / Heinen, Ulrich, Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der frühen Neuzeit (Arbeiten zur Kirchengeschichte 101), Berlin – New York 2016, 1-22.

© Übungsaufgaben: Milena Zimmermann

© Übungsaufgaben: Milena Zimmermann

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